Briefe
ID: | 3551 | ||||
Geschrieben am: | Sonntag 10.06.1849 |
Verehrtester Freund. Ich bin seit einigen Wochen wieder etwas ernstlich an’s Componiren gegangen u. konnte nicht zur Ruhe kommen um meine Correspondenz-Pflichten zu erfüllen, obgleich es mich sehr drängte gerade Ihnen zu schreiben. Entschuldigen Sie freundlichst. Es hat mir lange nichts so viel Freude gemacht als Ihr Brief. Ich war von dem Moment an ruhig da Sie mich versicherten über unsre Angelegenheit im Klaren zu sein u. Sie hätten mir, so wahr Gott lebt, bittres Unrecht gethan wenn Sie nur den mindesten Zweifel an mir gehabt hätten – u. noch dazu einem so miserablen Subjekt gegenüber wie dieser Theaterdirektor ist. Dieser Herr hat vom ersten Augenblick an keine Sympathie für Ihre Oper gezeigt u. alles was er scheinbar für dieselbe gethan hat, ist Perfidie. Er hat mir z. B. erst, nachdem er Ihnen deswegen geschrieben, gesagt daß er das bestimmte Honorar in Tantieme umgewandelt, die Parthie des Siegfried einem andern wie Behr gegeben hat. Es war zu spät Sie vor beidem zu warnen, denn erst als Sie zu Beidem Ihre Zustimmung gegeben hatten, erfuhr ich davon. Dem Mann fällt es nämlich ein Sachen die ganz wohl gefallen haben nach ein oder zweimaliger Aufführung |2| liegen zu lassen, hingegen anderes Zeug was er poussiren will, worüber aber die ganze Stadt schimpft, unzählige mal wenn auch vor leeren Häusern zu geben. Macht ers mit Ihrer Genovefa, für die er wie ich fest überzeugt bin kein Interesse hat, ebenso kann er Sie auf die legalste Weise betrügen. Denn so macht er es u. a. mit Behr, der ein sehr ordentlicher fleißiger aber auch fester u selbständiger Mann ist, der sich keine Gemeinheiten gefallen läßt u. deshalb mit dem Herrn schon im Proceß liegt. Dessen Gehalt ist theilweise auf Spielhonorar gestellt; – er beschäfftigt ihn nun aber so selten wie möglich, kränkt ihn durch Entziehung von Rollen die ihm gebühren u. entzieht ihm dabei jeden Monat einen beträchtlichen Theil seines Einkommens. Aus diesem Grunde einzig u. allein hat er ihm auch den Siegfried genommen, u. ich würde falls die Oper noch während Behr’s Engagement d. h. bis zum Schluß der Michaelismesse gegeben wird, an Ihrer Stelle fest darauf bestehen daß Behr die Parthie wieder gegeben wird. Ich könnte Ihnen noch 20 Beispiele von seiner Erbärmlichkeit anführen – aber es hieße im tiefsten Koth wühlen; der Mensch widert mich in jeder Beziehung an u. wenn die ganze Sache nicht eine andre |3| Wendung nimmt so bleibe ich nicht eine Stunde länger als ich muß – man hofft aber der ganze Kram werde sich nicht halten können u. wenn man die Bilanzen kennt, so weiß man nicht wo der Mann bis jetzt das Geld hergenommen hat um den allmonatlichen Ausfall zu decken. |
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Absender: | Rietz, Julius (1281) | ||||
Absendeort: | Leipzig | ||||
Empfänger: | Schumann, Robert (1455) | ||||
Empfangsort: | Dresden | ||||
Schumann-Briefedition: | Serie: II / Band: 21 Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Korrespondenten in Leipzig 1828 bis 1896 / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller, Eva Katharina Klein und Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2025 ISBN: 978-3-86846-031-5 971ff. | ||||
Standort/Quelle:*) | PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 20 Nr. 3660 | ||||
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla |
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