Halberstadt. d. 14ten Dcbr. Sontag Mittag
Liebe Emilie,
Mit Vergnügen und auch Bedauern höre ich von meiner Mutter, daß Dein Geburtstag gewesen ist. Du wirst Dich wundern über mein Bedauern. Nun sieh’, es thut mir so leid, daß ich nicht in Leipzig sein konnte, und daß ich es nicht eher wußte, um Dir doch wenigstens schreiben zu können. Ein kleines Andenken, meine liebe Emilie, werd ich Dir mitbringen, da ich erst jetzt in die Städte kommen werde, wo man in solchen Sachen eine schöne und reiche Auswahl hat. Ich hätte Dir schon längst, wie Du auch wirst erwartet haben, geschrieben, doch Du weißt wie das ist, wenn man in 4 Wochen 9 mal auftritt.
In Magdeburg hätte ich Dich gewünscht, da ist es schön! die Menschen sind dort zwar sehr kalt, jedoch <desto> ┌je ┐ öfterer ich spielte, desto wärmer wurden sie und empfingen mich in der letzten Zeit zweimal mit Klatschen. Was dort auch sehr angenehm ist, |2| das ist, daß nach jedem Abonnementsconcert, deren dort sehr viele sind, warm gegessen wird, man bei seinen Freunden sitzt und sich da ausplaudern kann. Hier in Halberstadt gefällt es mir hingegen gar nicht. Vorgestern war ich auf einem Ball, genoß außerordentlich viel Ehre und doch gefiel es mir nicht. Gestern war mein Concert hier, war für Halberstadt unerhört voll, und doch kann es mir nicht hier gefallen. Ich denke immer noch mit Sehnsucht an Magdeburg. Nächsten Mittwoch gebe ich hier mein 2tes Concert und dann gehen wir nach Braunschweig, von wo aus der Vater auf 14 Tage nach Leipzig gehen wird, ich aber bleibe mit der Auguste in Braun¬schweig. Ich hoffe in Braunschweig einen vergnügten Weihnachten zu erleben. Reich ist mein Weihnachten, denn der Vater hat mir seinen Bril¬lantring geschenkt, dann bekomme ich auch noch einen Hut, ein Kleid ect. |3| Willst Du mir nicht schreiben, was Du zu Deinem Geburtstag bekommen hast?
Eben habe ich mit Schrecken gehört, daß der gute Schunke tod ist, wenn ich ihn doch noch einmal gesehen hätte! Madam Voigt soll ein sehr einfaches schönes feierliches Begräbnis besorgt haben. Grüße sie herzlich von mir. Sie ist doch eine sehr gute liebe Frau; Gott wird es ihr lohnen, was sie an Schunke gethan hat.
Hast Du denn Student Leonhardt gehört? die Guschel ist ja auch wieder da?
Wie ich auch höre singt der Vetter nächsten Dienstag Probe im Theater! O, der Thor! Von dem Theater Director in Cöthen habe ich gehört, daß er gar nicht gefallen hat.
Neulich hatten wir auch von Marschner eine Einladung nach Hannover bekommen, deren zufolge wir auch hingehen werden. Er nannte mich in |4| seinem Briefe eine holde Zauberin. Ist das auch wahr? O ich freue mich ungeheuer.
Gehst Du auch recht fleißig zur Madam Voigt? Ach, wenn ich doch auch einmal wieder hingehen könnte! Doch ich höre nicht auf zu plaudern und da ich jetzt so nichts Gescheudes im Kopfe habe, so schließe ich mit der Bitte, Deine liebe Mutter, Deine Geschwister, die Julietta, die Damen Voigt und Stegmayer zu grüßen, ich aber bleibe
in aller Eile
Deine
Dich herzlich lieben-
de, gratulierende,
klagende (denke
Dir hinzu, was Du
noch willst) Freun-
din
Clara Wieck.
Um ein Briefchen bitte ich Dich dringend, auch Madam Voigt bitte ich sehr darum. Sie möchte mir doch etwas näheres von Schunke schreiben. Ich kann ihr leider jetzt nicht schreiben, denn ich habe zu viel zu thun.