Briefe
ID: | 2551 | ||||
Geschrieben am: | Samstag 20.09.1851 |
Später als erwartet werden konnte und den Unterzeichneten erwünscht ist, sehen sie sich in den Stand gesetzt den verehrten Mitgliedern des Ausschusses Bericht zu erstatten über die von ihnen getroffenen Einleitungen zur praktischen Realisirung des Zweckes der Bachgesellschaft. Die Zahl der Subsribenten ist seit dem Erlaß des Aufrufs auf 322 gestiegen und somit die Möglichkeit der Herausgabe der Bachschen Werke äußerlich geführt. Die erste Aufgabe der mit der Herausgabe beauftragten Direktion war es die erste Lieferung in würdiger und großartiger Weise die Reihe eröffnen zu lassen. Sie richtete daher ihre Aufmerksamkeit auf die Messe in H moll, unbestritten eins der größten und tiefsten Werke Bachs, das freilich schon gedruckt ist, aber keineswegs mit kritischer Genauigkeit, und durch eigenthümliche Verhältniße obgleich publicirt doch eigentlich dem Publikum nicht zugänglich ist. Ihre nächste Sorge war es daher sich des Apparats für die Herausgabe möglichst vollständig zu versichern. Die nach den in Dresden befindlichen von Seb. Bach herrührenden Stimmen des Kÿrie und Gloria von Herrn Musikdir: Kade daselbst sorgfältig zusammengeschriebene Partitur wurde erworben; derselbe verglich die in den Berliner Sammlungen vorhandenen Authographe einzelner Nummern und vollständigen älteren Abschriften der Messe. Ferner wurde mehreren von Prof. Dehn nachgewiesenen Spuren eigenhändiger Stimmen oder Partituren der Messe nachgegangen, zum Theil nicht ohne Erfolg. Nun war es aber bekannt, daß Herr Nägeli in Zürich eine handschriftliche Partitur der Messe besitzt, welche aus dem Nachlaß Ph. Em. Bach’s herstammt und für ein Authograph des Componisten gilt, aus welcher auch der erste Theil bekannt gemacht ist. Es wurden also Versuche und Anerbietungen gemacht um die Benutzung dieser Handschrift für die Herausgabe zu erlangen. Leider war das Resultat derselben, daß nach längeren und wiederholten Verhandlungen Herr Nägeli, der das Unternehmen der Bachgesellschaft für überflüssig hielt, „weil ja Händel’s Werke zur Ehre der deutschen Musik in London gedruckt wurden, also nicht nöthig sei auch Bach’s Werke zu publiciren“ und für schädlich, „weil die Verleger Bachscher Werke dadurch beeinträchtigt würden“ – daß Herr Nägeli endlich erklärte, er werde seine Handschrift nicht zur Ansicht und Prüfung hergeben, weder unentgeltlich noch gegen Entschädigung sie zur Benutzung leihen, endlich sie um keinen Preis verkaufen, sondern behalte sich selbst die Veröffentlichung vor. Obgleich ein aus anderen Gründen rege gewordener Verdacht, daß diese Handschrift kein Authographum sein möchte, durch das Benehmen des Herrn Nägeli nur bestätigt werden konnte, so durfte man es bei einem Werke von dieser Bedeutung, bei der ersten Publication der Bachgesellschaft nicht wagen auf ein kritisches Hülfsmittel zu verzichten, das möglicherweise von entscheidendem Einfluß sein konnte. Die Herausgabe der H moll Messen mußte daher vorläufig aufgegeben und die bereits gesammelten Hülfsmittel für bessere Zeiten zurückgelegt werden. Bei der nun vorzunehmenden Wahl richtete sich der Blick vorzugsweise auf ungedruckte Compositionen Bachs um mit diesen zu beginnen, und hier bot sich der reiche Vorrath von Kirchencantaten dar. Es sind daher aus einer großen Anzahl, welche zu diesem Behufe geprüft wurden, folgende ausgewählt, welche in jedem Betracht würdig befunden sind, an der Spitze der Werke Seb. Bachs zu erscheinen. |
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Absender: | Bachgesellschaft (125) | ||||
Absender-Institution: | Bachgesellschaft | ||||
Absendeort: | Leipzig | ||||
Empfänger: | Schumann, Robert (1455) | ||||
Empfangsort: | |||||
Schumann-Briefedition: | Serie: II / Band: 20 Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Korrespondenten in Leipzig 1830 bis 1894 / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller und Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2019 ISBN: 978-3-86846-030-8 490-495 | ||||
Standort/Quelle:*) | PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 23 Nr. 4286 | ||||
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