Frankfurt a./M., den 11. Februar 1884.
Lieber Johannes,
ich weiß nicht, wo ich Dich mit diesen Zeilen finden werde, unterlassen kann ich sie aber nicht, wo mir das Herz voll ist. Ich habe so glückliche Stunden in Deiner wunderbaren Schöpfung gefeiert (sie viele Male mit Elise gespielt), daß ich Dir dies wenigstens gesagt haben möchte. Welch ein Werk, welche Poesie, die harmonischste Stimmung durch das Ganze, alle Sätze wie aus einem Gusse, ein Herzschlag, jeder Satz ein Juwel! – Wie ist man von Anfang bis zu Ende umfangen von dem geheimnisvollen Zauber des Waldlebens! Ich könnte nicht sagen, welcher Satz mir der liebste? Im ersten entzückt mich schon gleich der Glanz des erwachten Tages, wie die Sonnenstrahlen durch die Bäume glitzern, alles lebendig wird, alles Heiterkeit atmet, das ist wonnig! Im zweiten die reine Idylle, belausche ich die Betenden um die kleine Waldkapelle, das Rinnen der Bächlein, Spielen der Käfer und Mücken – das ist ein Schwärmen und Flüstern um einen herum, daß man sich ganz wie eingesponnen fühlt in all die Wonnen der Natur. Der dritte Satz scheint mir eine Perle, aber es ist eine graue, von einer Wehmutsträne umflossen; am Schluß die Modulation ist ganz wunderbar. Herrlich folgt dann der letzte Satz mit seinem leidenschaftlichen Aufschwung: das erregte Herz wird aber bald wieder gesänftigt, zuletzt die Verklärung, die sogar in dem Durchführungs-Motiv in einer Schönheit auftritt, für die ich keine Worte finde. Wie beklage ich es, die Symphonie jetzt, wo ich sie so genau kenne und ganz anders genießen würde, hier nicht zu hören, das ist ein wahrer Schmerz für mich. Vor einigen Tagen sandte ich sie an Herzogenbergs – ich habe mich sehr schwer davon getrennt, gut, daß es Menschen sind, die mir lieb und denen ich die Freude so besonders gönne.
Ich reise am 24. von hier ab, und komme, geht alles gut, wohl erst zu Ostern zurück.
Leb’ wohl, es gehe Dir gut, wie bisher, das wünscht von Herzen
Deine
Clara.
Eben höre ich, daß Du morgen in Köln bist – ich sende daher dieses an Schnitzler.
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