Frankfurt a./M., den 22. Februar 1883.
Lieber Johannes,
da Du doch, hoffentlich, im März wieder kömmst, will ich Dir doch lieber mündlich erzählen, was hier vorgegangen Mir sind solche Skandalgeschichten greulich, und muß ich Dir bekennen, daß ich fast nichts darüber gelesen habe.4Einstweilen haben wir alle geholfen, was ich für unsere Pflicht hielt, da wir nun doch ’mal dem Institut angehören. Bald wird ja nun alles in Ordnung sein. Könnten wir nur einen recht guten Klavierlehrer finden! – Wie schwer ist doch das!
Mein Fall in Berlin ist noch glücklich abgelaufen, es hätte viel schlimmer werden können; ich hatte aber doch eine große Wunde an der Stirn, eine Quetschung an der linken Hand und war ganz bedeckt mit blauen Flecken. Noch sieht man die Spuren, und die Hand ist noch nicht hergestellt. Trotzdem habe ich in Berlin das Konzert riskiert, unter vielen Schmerzen gespielt, aber über der Aufnahme alle Angst und Sorgen vergessen. Ich habe kaum jemals solch einen herzlichen Enthusiasmus erlebt, und so habe ich trotz allem eine schöne Erinnerung mit mir genommen.
Wann kommst Du wieder? Ich wüßte es gern, weil ich doch hier sein möchte. Vom 7. – 17. März bin ich in Leipzig – kämest Du in dieser Zeit, so wäre mir dies sehr leid, ich möchte doch auch so gern, wenn Du spielst, nach Wiesbaden. Bitte, schreibe mir Genaueres, auch, wo Du weiter hingehst?
Daß Stockhausen schon am 1. März wieder in die Schule eintritt, weißt Du wohl.
Addio für heute! Ich habe Massen von Kondolenzbriefen zu beantworten und verspare mir manches, bis wir uns sehen! –
Mit herzlichen Grüßen von uns dreien
Deine alte
Clara.
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