|2| Meine liebe Freundin,
Wie sehr sehne ich mich nach Ihnen! Heute Morgen kann ich doch nichts anfangen, immer denke ich, Sie müßten plötzlich kommen. Nach jedem Wagen habe ich ausgesehen u. bei jedem Geräusch gehorcht. Und ich weiß doch vom Sternen- oder Frauen-Concert, die müssen ja doch sein.
Es ist ein Brief aus England gekommen – Mit wahrer Wonne empfing ich ihn u. konnte nicht lassen, ihn zu öffnen |3| um zu sehen ob es eine Klag-Epistel von Bennett sei, bitte um Entschuldigung deshalb!
Von Joachim habe ich den versprochnen Brief erhalten, danke tausendmal dafür.
Wie sehr habe ich, was er schreibt immer empfunden, ich mochte jedoch nicht so entschieden abrathen, ich fürchtete mir selbst egoistisch zu scheinen.
Aber sehr schön denke ichs mir, wenn Sie später mit Ihrem Robert u. Joachim hinreiseten u. das Evangelium predigten.
Heute wohne ich oben, unten wird auf furchtbare Weise geputzt und gewirthschaftet. Bertha kriegte einen großen Schreck als ich ihr von meiner unwiderstehlichen |4| Ahnung sagte, u. ich that’s nur um wenn Sie nun kämen einen Zeugen zu haben für mein Ahnungsvermögen u. meine große Sympathie.
Ich kann Ihnen gar nicht schreiben, immer muß ich auf ein Geräusch horchen od. zum Fenster hinaussehen. Dazu habe ich tüchtiges Kopfweh. Ich will etwas hinauslaufen – soll ich Ihnen dies als Gruß senden? Ja, wer weiß ob ich Heute noch zum Schreiben kommen kann u. zu besserer Vernunft.
Von Gestern Abend könnt’ ich Ihnen erzählen. Ich war bei Frl. Leser. 2 Bräute, 1 Bräutigam, 1 Vater u. 1 Mutter, 1 Dame aus Elberfeld u. Frl. Agnes waren da.
|1| Frl. Agnes spielt in der nächsten Soiree das Quintett Ihres Mannes, wenns zu besetzen ist u. kleine Sachen. Ich hätte in einer Trio Soiree lieber eine Sonate von Beethoven statt Kleinigkeiten gehabt.
Sie haben doch, wie ich denke Sonnabend (u. Montag) in Danzig Brief v. mir gehabt? In Berlin kam mein Brief wohl einen Tag früher als Sie?
Täglich aber hoffe ich jetzt auf eine bestimmte Nachricht von Ihnen wann Sie kommen? Sie wollen doch nicht wieder überraschen? Thun Sie’s nicht, wenn Sie es nicht Heute oder Morgen können. Verzeihen Sie mir meinen Brief, ich bin zu aufgeregt u. zerstreut zum Schreiben an Sie, aber Denken thu ich immer an Sie, nur zu viel. Behalten Sie mich recht lieb.
Ihr
Johannes.
Ddf. 7. März 55.
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