Meine liebe, theure Louise!
Obgleich es eigentlich mein fester Vorsatz ist, Ihnen nie Jemand zu empfehlen, und ich dergleichen Anmuthungen in der Regel entschieden von mir weise, so kann ich doch nicht umhin, diese Zeilen meiner lieben Clara Schumann mitzugeben, die so sehr wünscht, Sie kennen zu lernen. Und zwar aus reinem, warmem Interesse für Ihre Person, durchaus nicht in der Absicht, daß Sie sich für sie abmühen sollen. Clara Schumann ist nicht blos eine wahre, große Künstlerin, sie ist eine |2| durchaus edle Natur, und dadurch paßt sie in jeder Beziehung zu Ihnen, und Sie werden Freude an ihr haben. Sie bittet mich Ihnen zu sagen, daß sie nicht etwa wünscht, Sie sollen ihr eine soirée geben, im Gegentheil, sie haßt dergleichen, sie will nur Sie sehen, ein paar Stunden ruhig mit Ihnen zubringen dürfen. Das kann Ihnen, selbst in Ihrer jetzigen Lage, nur angenehm seyn, und Sie wird Ihnen vorspielen, was Sie wollen, und Sie werden einen wahren Genuß haben. Hier hat die Schumann zu meiner größten |3| Freude großes Glück gemacht; ihre Conzerte waren überfüllt, und der Beifall nach Verdienst, also außerordentlich. –
Wie bin ich froh, daß es Ihnen so gut geht, und wie freue ich mich, daß Ihnen das größte Glück dieser Erde zu Theil werden soll. Wie gönne ich Ihnen das! Und wie gönne ich es dem Grafen, der gewiß der zärtlichste Papa seyn wird. Ich versichere Sie, meine theuerste Louise, daß mit unserem Enkelchen die Heiterkeit in unser Haus gezogen ist. Unser Linchen hat uns den Frühling gebracht, und nicht ich zumeist, mein Mann, Münch, und selbst Papsch sind närrisch |4| mit dem Kinde. Sie ist freilich darnach, ein wahrer Engel! Und jetzt so heiter, so freundlich! Grade so ein Kindchen wünsche ich Ihnen, das heißt: einen Sohn natürlich, denn ich weiß schon, daß das erwartet wird. Mein Mann empfiehlt sich der Gräfin und dem Grafen Schönfeldt von ganzem Herzen, und theilt alle meine Wünsche für Sie. Gott lasse das nächste Jahr Ihnen recht heiter und ungetrübt seyn. Vergessen Sie mich nicht ganz, und glauben Sie, daß Ihnen mit wahrer Innigkeit ergeben ist
Ihre Sie herzlich liebende
Julie Rettich
d. 4. 1. 59
Lassen Sie sich von der Schumann die Kinder<lieder>scenen von ihrem Manne spielen und dann: „Am Abend“, und „Warum“