Wien 29 Decbr 1886.
Hochverehrte theuerste Frau!
Ganz bescheiden komme auch ich, meine Karte zum Jahreswechsel bei unserer lieben und hochverehrten Frau Schumann abzugeben – sie soll sich verkriechen unter all den Gratulationsschreiben und nur einen Augenblick sollen Ihre Augen darüber hinwegfliegen und mich mitzählen als Einen von den vielen Tausenden, die in inniger Verehrung der Künstlerin auch mit herzlicher Liebe der einzigen Frau zugethan sind. Ich weiß daß ich kommen darf und daß mich Niemand abweisen wird, wenn ich Ihnen immer wieder meine aufrichtigste Huldigung und die besten Glückwünsche für Ihr Wohlergehen darbringe, ich weiß es, weil ich seit 15 Jahren überall und stets die unbegreiflich liebe, zarte & treue Mutterhand empfinde, die |2| lauter Blumen in mein und der Meinigen Leben wirft. Viel, unendlich viel Dank haben, hätten wir Ihnen, theuerste Frau nachzutragen! Der ganze Weg, den wir Eheleute bis heute zurücklegten, zeigt wie Kilometersteine auf der Landstraße, Stationen köstlichster Freude und innerlichster Erhebung über das Alltägliche; und diese Stationen tragen alle Ihren theuersten Namen. Wenn ich heute auf die Freunde blicke, die wir nicht nur hier, sondern auch in der Ferne am Liebsten unsere Freunde nennen, immer finde ich, daß wir Ihnen die Freunde danken, die Sie uns zugewiesen. Und was das heißt, die Besten zu seinen Freunden zählen zu dürfen, das wißen wir zu schätzen und deßwegen kann ich an Sie, theuerste Frau, nie |3| anders denken als tief bewegt von innigstem Dankgefühl & aufrichtiger Liebe.
In herzlichster Verehrung
bin ich Ihr ergebener
Dr R Fellinger
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