Wiesbaden, den 8. Juli 1858.
Mein teurer Johannes, tausend Dank für Deine lieben Briefe, die mich recht froh gemacht haben, es war so lange her, daß Du mir nicht so lieb geschrieben!
. . . . . Wie froh ich über Dein erneutes Engagement bin, kann ich Dir nicht sagen; weil es so lange dauerte, bis sie schrieben, bekam ich Angst! Du verdienst das Geld doch so auf die angenehmste Weise, angenehmer als in Hamburg mit Stunden, deren Du viele geben müßtest, um das zu erreichen.
Hast Du es wieder auf 3 Monate angenommen? vom 1. Oktober an? Hast Du nicht fallen lassen, daß Du auch wohl mit dem Orchester zu tun haben möchtest? – Da gehst Du wieder einer angenehmen Zeit entgegen, und wie werden sie Dich aufnehmen alle! –
Ich muß Dich aber bitten, geliebter Freund, schüttele nicht so alles, was ich Dir über die Volkslieder gesagt, herab auf die Lieder selbst. Man braucht sich ja doch nur einfach zu fragen, was sind die Lieder ohne Begleitung, was mit Deiner? Du selbst mußt ja am besten wissen, daß solche Begleitung, ein solches Aufgehen, solches Erfassen der Charakteristik eines jeden Liedes, ein solch inniges Ineinandergreifen von Melodie und Harmonie, oft in so wunderbar fein und zarten Zügen, wo man bald sich nicht mehr eines ohne das andre denken kann, kurz, daß nur ein Genie, ein Gemüt, das ganz Poesie und Musik ist, solches schaffen kann, und das bist Du, und weißt auch, daß Du’s bist! Diese Überzeugung steht auf dem Grunde meiner Seele, wie ein Fels unerschütterlich! Jetzt wirst Du wieder lächeln über meinen Enthusiasmus, wer aber schafft ihn anders als Du selbst mit Deiner Musik? – Ich las übrigens neulich etwas auf Enthusiasmus Bezügliches in einem Briefe Goethes an Schiller, wo er bei Gelegenheit einer Kritik Herders über deutsche Literatur worin derselbe kärglich Lob und Tadel verteilt, sich gedreht und gewendet mit einer gewissen Zurückhaltung, Vorsicht usw. mir kommt aber immer vor, wenn von Schriften und von Handlungen nicht mit einer liebevollen Teilnahme, nicht mit einem gewissen parteiischen Enthusiasmus gesprochen wird, wenig daran bleibt, daß es der Rede gar nicht wert ist. (Das finde ich nun etwas zu viel gesagt.) Lust, Freude und Teilnahme an den Dingen ist das einzige Reelle und was wieder Realität hervorbringt.“
Wenn nun Goethe das ausspricht, soll ich mich da nicht erhaben über Deinen Tadel fühlen?
Ich sagte Dir gern noch gar vieles über einzelnes in den Liedern, z. B. über ein a im „Reiter“, wie fein das ist, ein wunderbar rührend klingendes e im toten [Gast]