23.01.2024

Briefe



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ID: 9876
Geschrieben am: Dienstag 13.07.1869
 

Baden d. 13 July 1869. Lichtenthal 14.

Meine theuere Emma,

an wen denkt man bei freudigen Ereignissen wohl zunächst, gewiß an die Freunde die unserem Herzen die Nächsten sind, und daß Du mir stets eine wahre Herzens-Freundin warst, das weißt Du. So sollst Du denn auch gleich wissen, daß inmitten vieler schwerer Sorge (namentlich wegen Ludwig) mir auch eine Freude wurde und zwar die Verlobung Juliens mit einem Grafen Victor Marmorito in Turin. <Er ist> Sie liebten sich Beide schon seit einem Jahr, sowohl aber ich, als auch vor allem seine Mutter, waren gegen diese Verbindung, indem außer der Standes-Verschiedenheit was keine Kleinigkeit ist für eine so Adelsstolze Familie, wie seine Familie, (im ganzen piemontesischen Lande dafür bekannt – er natürlich nicht) noch manche ungünstigen Umstände obwalten. Er ist Wittwer, hat 2 kleine Mädchen von 4–5 Jahren, ist nicht reich, (aber wohlhabend) ist Katholik, die Kinder müssen dort im katholischen Lande katholisch erzogen werden, er lebt mit seiner Mutter stets in einem Hause, also eine Schwiegermutter! wer fällt uns dabei nicht wohl gleich ein! ich habe Julien alle die ungünstigen Umstände u. Folgen möglicherweise vorgestellt, eben so ihm; er hat aber mit größter Energie Alles bekämpft, und da ich darin doch einen thätigen Beweis seiner großen Liebe sehen muß, so gab ich jetzt mit freudig hoffenden Herzen <> mein Jawort, und sage: „mit Gott denn!“ Die Hochzeit wird wohl im Herbst sein! ach, Emma, welch ein Kampf wird mir das noch werden, das Kind herzugeben. Du liebe Seele, Du weißt wie es dem Mutterherzen thut, und doch, wie ist Einem auch wieder so wehmüthig wohlthuend um’s Herz, ein Kind seinen Liebenszweck [sic] erreichen zu sehen. Wäre nur der Mann ein Deutscher, mit dem ich so recht von Herzen sprechen könnte, das macht mir Kummer – ich radebreche ja doch nur französisch, und wir können uns nicht näherkommen so <>hinter dieser Schranke. Mit meinem Ludwig haben wir eine schwere Sorge – ich muß ihn doch später zu einem Arzt bringen, es ist noch das Einzige, was mir zu versuchen bleibt; nicht, daß er geisteskrank wäre, aber er ist doch nicht normal entwickelt, mag auch physische Gründe haben, Gott weiß es. Der arme Junge kann Einem so schrecklich dauern. Er ist diesen ganzen Sommer bei uns – ich wollte doch gern, daß er ’mal wieder Familienleben genösse. Eugenie haben wir nun auch aus der Pension zurück, sie leidet aber an der Bleichsucht, und gebraucht eine Cur. So erwachsen Einem eben immer neue Sorgen! viel Freude habe ich aber an den anderen Jungens, nun und Elise ist eben ein tüchtiges Mädchen, nicht minder Marie, unser aller Stütze und meine Herzensfreundin. Das letztere ist auch Julchen mit ihrem liebreizenden anschmiegenden Wesen. Ich selbst bin recht unwohl, und will am Montag nach Gastein, hauptsächlich der Luft wegen. Julie begleitet mich und werden wir wohl 4 Wochen bleiben.
Höre ich bald ’mal von Dir, meine Gute, Liebe? Livia erzählte mir, daß es Louisen doch leidlich ging, und Dir? Ist keine Aussicht daß ich Dich ’mal länger in Baden sehe? welche Freude wäre das.
Leb wohl, geliebte Emma. In inniger verehrender Liebe Deine Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Preußer, Emma (1204)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 15
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Preußer, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller, Ekaterina Smyka / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2016
ISBN: 978-3-86846-026-1
296ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: N.Mus.ep. 1226
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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