St. Moritz d. 18 July 1868.
Im Dorfe Pension Wettstein.
Liebster Joachim,
so eben erhielt ich Brief von Bendemann, den ich Ihnen sogleich sende, damit Sie darnach handeln. Es wäre mir recht leid, zerschlüge sich die Sache wieder, weil es wirklich dem Bendemann eine große Freude sein würde Ihr Bild zu malen. Warum haben Sie ihm auf seinen Brief nicht geantwortet? das haben Sie gewiß vergessen gehabt? Bitte, thuen Sie es gleich nach Empfang Dieses direct an ihn. Daß er seine liebe Stimme wieder hat, schrieb ich Ihnen wohl schon. Jetzt sind wir nun 14 Tage hier, und ist die Luft wirklich herrlich. Ich glaube für Künstler giebt es nichts Besseres als im Sommer hier 3–4 Wochen zuzubringen. Mir thut sie augenscheinlich gut, wenn sie mich auch nicht heiter machen kann – jetzt, unter der Wucht so schwerer Sorgen ist das nicht möglich, aber wenigstens stählt sie den Körper, und das war mir nöthiger jetzt denn jemals! – Gern hörte ich ’mal von Ihnen, aber, ich weiß, wie Vieles immer an Sie kömmt, und mache deshalb keinen Anspruch – Schreiben Sie, so ist es mir wie ein Geschenk. Bis zum 30ten July bleibe ich hier, dann reise ich langsam, wahrscheinlich über Como, Mailand, die Gotthardstr. den Vierwaldstetter See nach Baden zurück, und hoffe dort spätestens Mitte August einzutreffen. Tausend Dank für die Geige womit Sie große Freude angerichtet haben! wüßte ich nur, was ich mit dem Felix machte! sein Talent macht mir’s schwer „Nein“ zum Musiker zu sagen. Hoffentlich sind Sie Alle wohl? innigst grüßend
Ihre alte Clara Sch.
Sie haben doch meine Zeilen zu Ihrem Geburtstag erhalten? Frau Dreischock ist mit ihrem Manne hier, wohnt mit uns im selben Hause – welch trauriges Bild, der arme Mann! Herr Wittgenstein mit Frl. Josephine sind hier – wir sehen uns öfter.
|