23.01.2024

Briefe



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ID: 9793
Geschrieben am: Sonntag 14.06.1868
 

Baden d. 14 Juni 1868
Lichtenthal 14

Liebster Joachim,

der Gedanke, daß Sie die Geige schicken wollen, hat mich von allem Anfange an beunruhigt, jetzt aber, nachdem ich mich von neuem überzeugt, wie nachlässig Felix noch mit seinen Sachen umgeht, muß ich Sie entschieden bitten, die Geige nicht zu schicken – er ist noch zu jung und auch zu wenig eifrig. Wird es später noch anders, so frage ich ’mal bei Ihnen an. Denken Sie: ich hatte Felix in Dresden eine Geige geliehen, welche er mit nach Carlsbad nahm. Er schickt Diese wieder zurück, und jetzt bekomme ich die Rechnung, worunter 3 Thaler für den fehlenden Violinbogen. Entweder hat er Diesen in Carlsbad gelassen, oder <erst> er ist in Leipzig bei Klemm (wohin wir die Geige abgegeben) fortgekommen. Ersteres ist wahrscheinlicher! nun sagen Sie selbst, ob man solch ’nem Jungen ein kostbares Instrument anvertrauen kann? – Ich habe es ihm gesagt, daß ich die Geige abbestellen würde – vielleicht nützt diese Lehre für die Zukunft. Sie können denken, daß ich Sie auf Ihrer Seelach-Tour im Geiste verfolgt habe, das Wetter war schön zum Laufen, aber nach St. Goar sind Sie wohl nicht gekommen? Hier erwarteten mich Bendemann’s und wie erfreut ich war, als seine liebe Stimme mir wieder entgegen tönte! – Ich hatte das Paar nur wenige Stunden, aber an Denen hatte ich viel. Ich bedurfte so sehr des Zuspruchs, und fand ihn von Beiden so wahrhaft freundschaftlich! – Nun, Sie kennen sie ja und wissen welch seltne Menschen es sind. – Ich sprach mit Bendemann von Ihrem Wunsche und er ist sehr bereit Sie zu malen und zwar für das Honorar, welches Sie sich gesetzt, sey es, was es wolle. Ich sagte ihm 50 Friedrichsd’or. Er will Ihnen genau die Zeit angeben, wenn er kann. Jetzt ist er in Weilbach für 4 Wochen, und Mitte Aug. geht er noch in’s Seebad. Hier geht alles seinen Gang, nur bin ich so unwohl, daß ich eilen muß noch Etwas für mich zu thuen. Die Sorge und Kummer um Ludwig hat mich so körperlich und geistig herunter gebracht, wie nie etwas. Die Sache geht noch immer fort, die Correspondenz hin und her! – Es war mir recht eine Erleichterung, daß ich in Coblenz <> Ihnen ’mal meine Sorgen mittheilen konnte! so sehr ich es vermeide Solche Anderen zu klagen, so sehr ist es mir doch Bedürfniß bei den alten Freunden, man setzt da doch immer mehr Theilnahme noch voraus. Es war mir überhaupt so lieb, Sie ’mal etwas ruhig zu haben, und bin ich Ihrer Cousine so dankbar für die Freundlichkeit, mit welcher sie meinem Wunsche, Sie zu sehen und zu genießen, entgegen kam. Sie war wirklich gar so lieb! Ich denke diese Zeilen treffen Sie noch in Hannover, leider schon wieder rüstend. Seyen Sie mit der lieben Ursi und dem reizenden Kleeblatt tausendmal gegrüßt und bleiben Sie gut Ihrer alten treuen
Clara Sch.

Meinen Büchern sehe ich mit Freuden entgegen. Ich werde wohl Ende dieser Woche abreisen, Marie aber bleibt mit Felix bis Anfang July. Können wir unser Haus vermiethen auf 4–6 Wochen, so kommt sie nach, wenn nicht, so bleibt sie hier.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
959ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6520-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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