23.01.2024

Briefe



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ID: 9777
Geschrieben am: Dienstag 25.02.1868
 

London d. 25 Febr. 1868.
31, St. James’s Street Piccadilly.
Meine liebe Mila,
ich benutze einige freie Augenblicke, Dir auf Deinen lieben Brief einige Worte des Dankes zu senden, und Dir zu sagen, wie innig mich Elisens abermaliges Leiden betrübt hat. Ich hoffe zu Gott, daß sie, wenn Du diese Zeilen erhälst, schon wieder genesen unter Euch weilt – grüße Sie doch ja aufs herzlichste von mir.
Ich bin jetzt hier |3| im ärgsten Concerttroubel, spiele wöchentlich meist vier mal öffentlich, war zwei mal in Schottland, Manchester, Torquay ect. Jetzt werde ich aber in London bleiben bis Ende März. Ich bin wieder ganz außerordentlich aufgenommen hier, aber unter welchen Kämpfen ich das Alles hier durchführe, das weiß Niemand. Denke Dir, vor 8 Tagen schrieb mir der Arzt aus Berlin, zu dem ich meinen Felix hingeschickt hatte, weil er immer hustete und mich dies ängstigte, ich möge ihn so schnell als möglich auf ein halbes bis ganzes Jahr von der Schule nehmen, sonst |2| riskiere ich die Schwindsucht bei ihm, da er sich überarbeitet habe, und keine starke Brust habe. Du kannst Dir meinen Schreck denken! natürlich nehme ich ihn den ganzen Sommer zu mir, und gleich jetzt schon von der Schule. Daß er Letztere versäumt ist kein großes Unglück, da er auf dem Gymnasium ein Jahr seinem Alter voraus war. Der arme kleine Kerl! er hat uns immer so viel Freude gemacht, ist ein durch und durch begabter Junge. Ach, hätte ich ihn nur erst gesund wieder! Zugleich mit dieser Schreckenspost kam mir die Nachricht, daß es mit Ludwig nicht gehe, die Leute ihn nicht behalten wollen, weil er Abends in’s Bierhaus geht ect. Mir bleibt nun kein Versuch mehr, als ihn nach Amerika zu schicken, welch ein Schmerz ist das!
|4| Von Julie werdet Ihr gehört haben, daß es ihr besser ging, sie wollte fort von Divonne, da fällt sie und verrenkt sich den Fuß, und muß nun wieder liegen. –
Doch beinah vergesse ich Dir zu schreiben, was Du hauptsächlich wissen wolltest, über Frl. Ney, die ich vielfach von Erzählungen kenne, auch persönlich. Schreiben möchte ich, könnte ich das Alles gar nicht, aber, so interressant sie ist, so talentvoll auch, so würde ich keinen intimeren Verkehr mit ihr pflegen mögen. Ich halte sie für eine feine Coquette nach Allem, was ich gehört. Mündlich ’mal mehr darüber. Du mit Deinem Scharfblick wirst es übrigens bald selbst wissen. –
Es geht Alles zu Ende, Papier, Zeit, nur nicht die Treue Deiner alten Clara.
Die Osterwoche denke ich in Düsseld. zu sein.
Denke Dir Henriette hat ihr ganzes Vermögen verloren, und ist dazu immer krank. Die Arme! –
Schreibe mir doch ja bald wie’s Elisen geht?

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: London
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
472-475

  Standort/Quelle:*) Privatbesitz
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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