23.01.2024

Briefe



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ID: 9715
Geschrieben am: Montag 22.07.1867
 

Baden-Baden d. 22 July 1867.

Lieber Stockhausen,
gern hätte ich gehabt, mein Gruß und Glückwunsch wäre Ihnen heute zugekommen, ich bin aber erst gestern Abend von Kreuznach und Wiesbaden zurückgekehrt, wo an Schreiben nicht zu denken war. Es thut mir recht leid, daß ich keine Ahnung habe, wo Sie heute Ihren Geburtstag feyern, ich hoffe aber, Sie feyern ihn ungetrübt mit den lieben Ihrigen und an irgend einem reizenden Flecken! – Für Ihren lieben Brief meinen schönsten Dank! wohl haben Sie recht, man sollte eifriger|2| correspondieren, überhaupt, mehr von einander wissen, aber, der Anforderungen kommen Einem so Viele, und so Manche, die gleich unbarmherzig verdammen, wenn man ´mal nur eine kleine Weile säumt. Bei mir ist nun noch der schlimme Umstand, daß mich vieles Schreiben so angreift, daß ich ganz elend davon werde – ich glaube es ist die gebückte Stellung, die mir die Schmerzen verursacht. Ich möchte aber auch wie Sie wünschen, jeder Tag hätte noch ein paar Stunden mehr für die Briefe. Meine Concerte sind glücklich abgelaufen, in Wiesbaden hatte ich recht Vergnügen an Roberts Concert, freilich aber auch Sorgen über das Komödie spielen der Sänger. Wachtel sang aus der weißen Dame gräulich, war |3| nicht bei Stimme (hatte wahrscheinlich, wie er es häufig thun soll, sein Geld vorher an der Bank verspielt) und als seine zweite Nummer kam, trat er hervor, und sagte, er könne nur ein Lied (v. Abt) singen, das Andere nicht, da er zu heißer sey, und Frl. Murska würde dafür den Faust-Walzer singen. Nun sang er aber das eine Lied nicht, sondern er brüllte es, daß die Wände zitterten, von Heiserkeit keine Spur, darüber war dann nun das Publikum sehr aufgebracht, und nahm den Faust-Walzer nicht eben sehr entzückt auf. Die Höhe der Murska ist aber enorm, singt sie mit größter Leichtigkeit, aber sonderbar, je länger sie einen hohen Ton hält, desto höher wird er. Geläufigkeit hat sie auch viel, doch vollendet ist ihre Technik keineswegs. |4| Mein Concert in Kreuznach fiel sehr gut aus – ich hatte über 300 Thaler übrig. Das war sehr gut, denn ich hatte gerade diese Zeit (namentlich durch Ludwigs Umsattlung) viele Ausgaben gehabt, wie denn mit den Kindern eben auch die Ausgaben wachsen. Ihr Projekt mit Baden fände ich, abgesehen davon, daß es ein Schönes an und für sich wäre, aber auch ein sehr<v>Vernünftiges, denn Sie könnten hier eben Alles vereinigen, die Wälder genießen, und musicieren, wenn Sie Lust hätten, und eine Schaar von Kunstjüngern um sich versammeln, die dann Ihr Lob in alle Welt hinaussängen. Jedoch, was würden dazu die Eltern in Colmar sagen?
Höre ich bald mal wieder von Ihnen, wie und wo Sie leben? Von hier grüßt Alles herzlich

Sie und Ihre liebe Frau. Mit den besten Wünschen bin ich
Ihre alt ergeb Clara Schumann

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Stockhausen, Julius (1547)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
672ff.

  Standort/Quelle:*) D-F, s: Nachl. Stockhausen 22
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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