23.01.2024

Briefe



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ID: 9609
Geschrieben am: Mittwoch 30.05.1866
 

Baden d. 30 Mai 1866

Lieber Joachim,

Dank für den endlichen Brief, der eben recht kam mich für die Musikfesttage froh zu stimmen, denn, wahrlich, mir war ganz schmerzlich zu Muthe wenn ich Ihrer gedachte und nichts von Ihnen wußte. So sehr es mich gefreut hätte wären Sie zum Feste gekommen, so war es doch gut, daß Sie es nicht thaten, es hätte wohl außer Stockhausens H moll Messias Arie nichts Sie ganz befriedigt, Diese war aber herrlich – ein Hochgenuß! Nun, Sie haben ihn gestern wohl auch gehabt. Ich hätte wohl kaum wiederstanden nach Hamburg, um Sie zu sehen, hätten Sie mir nicht die frohe Hoffnung eines baldigen Wiedersehens hier gegeben, was mir freilich das liebste ist! – Ich denke, wenn Sie etwa in 8 Tagen nach Kreuznach gehen, so werden Sie ohngefähr Mitte July hierher kommen. Für Kreuznach wollte ich Sie noch darauf aufmerksam machen, daß Sie doch ja nach Münster gehen, und alles Nöthige bei Frl. Hübner erfragen, die, leider, ja fast wie eine Eingeborne dort zu betrachten. Grüßen Sie sie sehr freundlich von uns – sie ist wirklich ein liebenswerthes Wesen. Gott sey Dank, daß bei Ihnen Alles wieder gut geht! und auch, daß Sie nun doch in Hannover bleiben, denn mit Weib und Kind heimathlos herumziehen ist traurig. Johannes ist noch in der Schweiz, was mir für ihn natürlich sehr lieb ist – er wird das entzückende Land nun gewiß gründlich kennen lernen und in vollen Zügen genießen! dazu hat er jetzt die Annehmlichkeit der noch mangelnden Reisenden, worüber er mir ganz besonders vergnügt schreibt. Von Arbeiten letzter Zeit schreibt er nichts – seine Weise! – Eine Bitte habe ich an Sie, ich hatte Dieselbe auch an Frau Goldschmidt, doch ihr hatte ich nicht den Muth sie auszusprechen. Sie erinnern sich vielleicht meiner verehrten Prinzeß v. Hessen? Diese wünscht sich so sehr Ihre Handschrifft (ein paar Bachsche Griffe etwa – Anfang der Ciaconne) und die der Frau Lind. Sollten Sie einen günstigen Moment dafür bei ihr finden, so bitte ich darum, bei Ihnen selbst, ist mir nicht bange, denn, wo es gilt Freude zu machen, da fehlen Sie ja nie. Der Frau Goldschmidt sagen Sie nur, daß die Prinzeß wohl die liebenswürdigste ihres Ranges, und die musikalischste ’mal jedenfalls ist. Sollte es sich aber nicht fügen, daß Sie das Anliegen leicht anbringen, so unterlassen Sie es. Friedchen grüßen Sie, wenn Sie sie sehen und Stockhausens Beide. Ihrer lieben Ursi sagen Sie meinen schönsten Dank für ihren lieben Brief, und von uns allen die schönsten Grüße. Lassen Sie ’mal von Kreuznach aus hören, wie es Ihnen geht? und recht bald, wann Sie kommen.
Mit unser Aller besten Wünschen für Sie und alle Ihre Lieben
Ihre
allezeit getreue
Cl. Sch.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
891ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6498-A2;
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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