Oldenburg d. 24 Nov. 1866
Liebe, verehrte Frau,
glauben Sie ja nicht, daß ich, weil ich nicht früher schrieb, nicht oft an Ihre Liebe und Güte gedacht! ich hatte aber diese Zeit her viel zu spielen, und durfte daher meine Hand nicht mit Schreiben ermüden. Heute aber, nachdem gestern auch hier das Concert vorüber, eile |2| ich zum Schreibtisch um Ihnen und Ihrem lieben verehrten Manne noch ’mal aus der Ferne den innigsten Dank zuzurufen, für alles Gute, womit Sie mich und meine Kinder3 so liebevoll bedacht. Es waren so schöne gemüthliche Stunden in Ihrem Hause, mir nur viel zu Wenige! Unsere Reise nach Bremen war sehr lang und ermüdend, wir fuhren bis Abends 9 1/2 Uhr, und zwar mußten |3| wir über Hannover, was ich mir auch gedacht hatte, ebenso, daß wir nicht um 4 Uhr Nachmittags in Bremen sein konnten. Wie groß war der Abstand! den Abend vorher verbrachten wir mit Ihnen in Ihrem schönen Hause, jetzt saßen wir in einem ungemüthlichen Gasthof allein. – Im Uebrigen ist es mir aber sehr gut gegangen, und fand ich enthusiastische Aufnahme; was mich |4| aber ganz besonders erfreute war die Aufnahme von Seiten des Orchesters. Es giebt für mich keinen [sic] schöneres Gefühl, als Leute die die Musik zu ihrem Handwerk machen mußten, die sich mühselig damit durchs Leben schleppen, (so <>wie die armen Orchester-Musiker) erwärmt zu haben. Nun, liebe verehrteste Frau, will ich Ihnen Adieu sagen. Marie sendet ihre angelegentlichsten Empfehlungen, und ich drücke Ihnen und Ihrem theueren Manne innigst die Hand als Ihre von ganzem Herzen ergeb
Cl. Schumann.
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