23.01.2024

Briefe



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ID: 9580
Geschrieben am: Dienstag 02.01.1866
 

Düsseldorf d. 2 Jan. 1866.

Lieber Joachim,

haben Sie mit Ihrer theueren Frau Dank für Ihre Briefe. Wie froh war ich, endlich von Ihnen ’mal wieder zu hören, und diesmal that es mir umsomehr wohl, als ich nicht ohne Schmerz Ihrer gedenken konnte seit jenem Abend, wo Sie ohne ein Wort, ohne Händedruck, verschwanden. Ich rief meinen Ferdinand, er möchte Ihnen die Geige an den Wagen tragen, er kam zurück und sagte, <s>Sie seyen fort, worauf ich rief, dies sey unmöglich, bis dann einige Bekannte es mir bestädtigten. Es war ein trübseliger Abend nachher, ich konnte es gar nicht verwinden, und Marie die mich sonst zu trösten pflegt, konnte es diesmal auch nicht, denn sie war auch betrübt. Ich überlegte lange, ob ich Sie etwa beleidigt, jedoch, wäre dies der Fall gewesen, so sind Sie ja viel zu edel, als sich so zu rächen, also konnte es nur Vergessenheit sein. Nun beurtheilen Sie ’mal selbst, wie das einer so alten Freundin thuen muß. Und nun kam auch keine Zeile von Holland, es ist Ihnen also auch nicht ’mal eingefallen! Deswegen nannte ich Sie treulos! – Ich werde am 6ten nach Elberfeld zum Concert kommen, hörte, Sie spielten Ihr ungarisches Concert? darnach sehne ich mich wahrhaft, und bitte Sie Herrn Zapp (oder sonst Einem der Directoren) zu sagen, daß sie mir zwei Plätze vorn, weil ich hinten schlecht höre, zu [sic] reservieren. Wüßte ich wo ich Sie vorher träfe, so käme ich früher, jedoch da so im Hôtel herum zu sitzen (Sie wohnen doch wahrscheinlich bei einer der Kyllmannschen Töchter, die sich, warum, weiß ich nicht, nie um mich kümmern) das ist mir dann unbehaglich. Kurz vor dem Concert will ich Sie nicht stören, so werde ich Sie also nur im Concert sehen; denn ich muß wieder auf die Eisenbahn, ehe es ganz aus ist. Ich werde mich an der Casse melden, sorgen Sie nur, bitte, daß man die Billet’s dort für mich niederlegt. Wie freute ich mich von Ihrer lieben Frau zu hören, daß Johannes doch noch zu Ihnen gekommen! gewiß haben Sie das neue Jahr, zu dem ich noch meine herzlichsten Wünsche sende, zusammen angetreten, und lustiger, als ich hier, die ich im Geiste viel bei Ihnen war und gar zu gern einen Blick auf den kleinen gemüthlichen Kreis geworfen hätte, oder vielmehr dabei gewesen wäre. Sagen Sie Ihrer Frau, daß ich ihr extra schreibe, heute geht es nicht, ich bin zu sehr gehetzt. Einstweilen herzlichen Gruß ihr. Hier grüßt Alles den lieben verehrten Joachim, zumeist aber immer ich Ihre
treue Cl. Sch.

Marie erwiedert von Herzen die Grüße Ihrer lieben Frau.

P. S. Sie kommen doch den 8ten sicher hierher? dann reisen Sie wohl Abends ab?
Kyllmann schrieb von Bonn zwei mal an mich wegen Concert mit Ihnen, ich schrieb natürlich ab, da Sie ja nach Leipzig müssen. Hoffentlich sind Sie jetzt wieder ganz wohl?

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
872ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6493-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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