Berlin den 20ten Nov. 1865
Geehrter Herr Haubold!
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr bestürtzt ich war, bei meiner Ankunft heute hier Ihren Brief vorzufinden, da es ganz unmöglich sowohl für mich als Herrn Joachim ist, am Donnerstag den 30ten bei Ihnen zu spielen. Es ist mir unbegreiflich, wie Herr Gurkhaus mich so mißverstanden hat. Ich muß weit ausholen um Ihnen die Sache klar zu machen. Ich frug bei diesem an, ob wir (Herr Joachim und ich) in dieser Zeit eine Soirée in Leipzig geben könnten, worauf derselbe erwiederte, daß der Augenblick nicht günstig sei, überdieß ein Concert des Orchesterpensions- Fonds stattfinden würde, und eine Soirée von uns kurz vorher demselben möglicher Weise Eintrag thun könne. Darauf schrieb ich Herrn Gurkhaus, daß wir weit entfernt davon wären, dem Orchester Eintrag <zu> Thun zu wollen, im Gegentheil uns freuen würden, stünde es in unsrer Macht, demselben zu nützen (so ungefähr schrieb ich). V S. Darauf erhielt ich von Herrn Gurkhaus inliegende Depesche,6 aus welcher ich entnehmen zu müßen glaubte, daß das Orchesterpensions-Fonds Concert auf Ungewiß verschoben sei, deshalb also den 27ten November für unsren Concerttag annahm<m>. Sie können sich nun meine Bestürtzung denken, Ihnen eine abschlägige Antwort geben zu müssen, da wir am 29ten hier Concert geben, und Herr Joachim noch denselben Abend nach Holland abreisen muß. Letzterer ließ Ihnen sein herzliches Bedauern ausdrücken. Es versteht sich von selbst, daß wir unter diesen Umständen auf unser eignes Concert in Leipzig verzichten. Ich hoffe, die Leipziger Musiker kennen mich genug, um versichert zu sein, wie innig ich diesen ungünstigen Zufall bedauere und zeichne ich mich mit freundlichstem Gruße
Ihre ganz ergebene
Clara Schumann.
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