23.01.2024

Briefe



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ID: 9260
Geschrieben am: Donnerstag 20.06.1861
 

Spa d. 20 Juni 1861

Meine liebe Bertha,
spät komme ich Dir zu danken für Deinen lieben Brief vorigen Winter, doch, Du weißt, ich bin so furchtbar immer von Außen in Anspruch genommen, daß Manches auf dem Herzen bleiben muß, und erst spät zur Aussprache kömmt. <> So auch mein Dank für Dich, Du Gute! wie tief gerührt hat es mich damals, daß Du, bei Deinem Leiden, meiner so liebend und thätig dachtest, wie gern hätte ich Dir das damals gleich gesagt. Nun, Du kennst mich, und weißt, daß bei allem Weltgetümmel ich doch meine Freunde treu im Herzen trage, und zu Denen gehörst ja Du von Alters her. Es wird Dich freuen zu hören, daß ich meine beiden <>Knaben zu Michaelis nach Berlin zu einem Hrn. Dr Planer bringe, der nur noch 2 Pensionäre hat, und Direktor am Joachimsthal-Gymnasium ist. Noch viel habe ich deshalb mit mir gekämpft, jedoch gewann das eine Gefühl, das mich Monate lang schon nicht mehr verließ, den armen Kindern doch noch ein weniges Gefühl von Heimath mit in das Leben zu geben, die Oberhand über alle sonstige Bedenken. Konnte ich sie auch nicht zu Haus haben, so sehen sie doch ihre Geschwister mindestens Sonntags, feyern Geburtstäge, Weihnachten zusammen, kurz, sie kommen <die> den Geschwistern wieder näher, und dadurch auch mir, und auch können wir sie besser überwachen. Mir ist ordentlich ein Stein vom Herzen, seit ich dies geordnet – ich konnte die armen Jungen nie ohne die tiefste Wehmuth ansehen, und wenn ich ihnen Adieu sagte, und sie weinend allein zurückblieben, da fühlte ich zu deutlich, es war nicht recht so, es mußte anders werden. Ich glaube, Du giebst mir recht, nicht wahr, liebe Bertha. – Nun zu Dir! Ich hörte neulich durch Deine liebe Helene, daß es Dir noch immer nicht besser geht, und Du in Kösen seyest. Du Arme, könnte man Dir doch etwas von Deinen Schmerzen erleichtern, abnehmen! – Die Natur ist lieblich in Kösen, ob aber das Bad dort stärkend genug für Dich ist? nun, das hat Dein lieber fürsorgender Mann gewiß mit dem Arzte recht wohl bedacht, vielleicht ist Dir eine milde Cur gerade zuträglicher! – Ich gebrauche hier Stahlbäder für meinen schwachen Rücken, für mich ist aber eine Badecur nichts, ich kann nicht unthätig sein, wo ich nicht gleich recht melancholisch werde, oder ich müßte denn mit recht lieben Freunden zusammen sein, die mich erheiterten, und so der Arbeit entzögen! – Ich hoffe Deine Kinder schreiben Marien bald wieder, und ich höre dann, wie es Dir geht. Möchte es Dir doch schon jetzt besser gehen! Könnte man doch durch innige Bitten Gutes vom Himmel herab erflehen auf liebe Menschen! so möchte ich es für Dich können. –
Leb wohl, theuere Bertha, grüße Mann und Kinder von Deiner
getreuen
Clara.

Unsere sichere Adresse ist vom 1 July an: Beim Herrn Director Bendemann in Düsseldorf abzugeben.

Marie sendet Euch Allen ihre Grüße.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Spa
Empfänger: Voigt, Bertha (3059)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 15
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Preußer, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller, Ekaterina Smyka / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2016
ISBN: 978-3-86846-026-1
157ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus.ep. Schumann, K. 220 (Kopie in D-Zsch)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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