23.01.2024

Briefe



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ID: 9161
Geschrieben am: Donnerstag 20.12.1860
 

Düsseldorf d. 20 Dec. 1860
Liebe gute Elisabeth,
wie trage ich immer den Brief an Sie, den ich Ihnen versprochen, mit mir herum, d. h. in Gedanken – und kann nur nicht [zum Schreiben] kommen! und jetzt drängt sich nun gar Alles so aufeinander, daß ich kaum wo anfangen weiß. Einige Worte zum Weihnachtsfest muß ich Ihnen aber senden, meine schönsten Wünsche für Sie und Ihre liebe Schwester, daß Sie Dasselbe recht fröhlich feyern , und recht gesund und froh das Neujahr antreten mögen, mir Ihre Liebe bewahren, und Nachsicht ferner haben, wenn ich Ihnen meine Sorgen mit aufbürde. Was bekümmert mich die Logiegeschichte, welche Last hat Ihnen das schon geschaffen! ich sprach heute mit Hammers, der meinte, daß er vielleicht einmal zu der Frau gehen sollte? gut wäre es vielleicht, wenn Sie Ihn einmal sprächen, an Ort und Stelle läßt sich doch eher etwas handeln. Was meinen Sie aber wohl mit dem neuen Logie? ob man mit den Leuten (die jetzt darin wohnen) spräche, ob sie es bis Michaelis behalten wollen, und Emma bewohnte mit den Kindern die Hinterstube und die Corridorstuben, so kostet es doch wenigstens nur den dritten Theil. Wollen die Leute das nicht, so ließen sich vielleicht für den Sommer die Vorderstuben und die Gartenstube vermiethen und Emma bewohnt die Mittelstuben und Hofstuben, und versorgt die Wirthsleute mit Frühstück. Was meinen Sie? es ist eine unglückliche Geschichte! – Wir könnten ja überhaupt vielleicht auch für länger Alles Das vermiethen, da ich ja doch nicht da bin. Kommt Marie dazu, so nähme man sich die Gartenstube vom Octbr an noch dazu. Nach Weihnachten, liebste Elisabeth, schreiben Sie mir Ihre Gedanken. Wie bin ich Ihnen dankbar für Alles, was Sie schon in der unglückl. Geschichte gethan! In Leipzig hatte ich das Glück einmal wieder ein gutes Concert zu machen (ich hatte 280 Thl übrig) jetzt kommt gleich dieser Verlust hinterher. Daß Eugenie wieder wohl, war mir recht beruhigend – wie traurig war das Abreisen! Das Kind krank, Sie, wenig Trost, nicht da! Wie’s zuging, konnte ich mir denken, die Emma ist aber auch gar zu dumm gewesen! – Den Kleinen kaufen Sie nun wohl Alles, vergessen Sie nicht den hübschen Schulranzen für Felix, dann ist in dem Paquet ein hübsches Spiel, bitte, nehmen Sie den Umschlag ab, und schenken es Beiden, geben es ihnen aber nur, wenn sie damit spielen wollen, damit sie nichts davon verlieren; das ist ein Spiel, welches Jahre lang amüsirt.
Herr Keller hatte ja schon mit mir abgesprochen, daß Eugenie die Noten lernen soll, für Felix ist es aber früh, er soll noch die Tonleitern in allen Tonarten [u. kl. Uebungsstücke] lernen, so wie Eugenie es gethan. Das ist des Vaters Princip, woran er, trotz aller Reden Anderer, festgehalten, und gewiß ist es ein Gutes, schon weil es das Gedächtnis außerordentlich übt.
Von meinen Plänen jetzt den Hauptumriß: die erste Woche Neujahrs spiele ich in Köln, dann d. 11 in Hamburg, von da will ich in Hannover, Osnabrück, Detmold ect. Concerte geben und in der ersten Woche Februars nach Belgien, wo ich wohl bis Ende März bleibe, dann gleich nach England gehe. Das ist Viel, nicht wahr? der Himmel gebe mir nur Kraft – ich bin immer recht unwohl jetzt! – Die Rückenschmerzen greifen so meinen Magen an, daß ich mich Stundenlang ganz schwach befinde, besonders Morgens und Nachmittags nach dem Essen. In Leipzig ist es mir recht gut äußerlich gegangen, zwar war die erste Zeit recht schwer für mich; ich fühlte für den einen Freund Freude, für den Anderen Trauer, das wechselte immer in mir. Johannes Mißgeschick that mir schrecklich weh; er hatte offenbar Unglück, die Leute spielten nicht mit Lust, es fehlte also auch alle Wärme, wie kann aber ein neues unbekanntes Werk, so dargestellt, gefallen? später spielte ich [die Serenade] mit Ihm 4 händig einigen Musikern noch einmal vor, und Alle waren erstaunt, wie schön es sey; auch gefiel das Sextett (von Joachim gespielt, mit innigster Hingabe wie Sie denken können) sehr, und so hatte er doch wenigstens diese Freude, nur war das auch privatim. Leider lernten meine Leipziger Freunde Ihn als Menschen gar nicht kennen, denn er sprach fast mit Niemand, dazu hatte er eine sehr arge Erkältung, kurz, ich hätte doch gewünscht, er wäre nicht dahin gekommen. Ich weiß wohl, daß Ihn das nicht niederschlägt, weiß auch, daß er sich doch über lang oder kurz Bahn bricht, aber, daß er dem Joachim so in jeder Weise hintenan gesetzt wurde, kränkte mich schrecklich für Ihn. Ach, hätte er mir doch gefolgt, ich sagte es Ihm schon immer, er solle nicht nach Leipzig gehen. Joachim’s Concert hat einen Sieg errungen über Alle, die immer meinten, er werde nie etwas Erträgliches schaffen. Ich mache mir doch so wenig aus Publikum sonst, aber hier kamen mir die Thränen vor Freude, wie bei der Serenade vor Wehmuth – er dirigirte sie noch dazu selbst. Doch genug!
Ich war wie immer sehr liebevoll aufgenommen, auch von der Frege, wenngleich einige Sachen vorfielen, die sich aber bald wieder ausglichen. In Hannover spielte ich beim König, der einen herrlichen neuen Flügel von Klems hat, und gar nicht aufhören konnte, sich zu freuen, wie schön er klang. Ich spielte auch lauter Sachen von Denen ich vorher schon wußte, wie schön sie gerade auf diesem Flügel klingen mußten. Eben kommt der Woldemar, er sieht recht wohl aus; hat viel zu thuen. – Von Elise habe ich sehr gute Nachrichten – sie kommt zu Neujahr hierher. Julie (ich weiß nicht, ob ich es Ihnen schon schrieb) bekömmt von Fr. v. P. ihr Confirmations-Kleid – ist das nicht liebenswürdig? Wollen Sie Ihrer Schwester inliegende Zeilen geben. Küssen Sie die Kleinen von mir – ich lege ihnen auch noch Briefchen bei. Den an Rudorff werfen Sie nur in den Kasten.
So denn Adieu! ich werde recht viel nach Berlin denken – wir bescheren hier gar nicht, werden aber wohl zu Bendemann’s gehen.
Die Jungen kommen nicht, weil Frl. Leser die Unruhe nicht aushalten kann.
In herzlichster Freundschaft Ihre Cl. Sch.

Wollen Sie nicht Eugenie nur eine Puppe schenken? Die von Fr. Böcking lieber aufheben, ohne sie ihr erst zu zeigen.
Haben Sie meine 100 Thl erhalten? Was geben Sie Emma außer dem Buch?

Von Marien herzlichste Grüße.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Werner, Elisabeth (1691)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 18
Briefwechsel Clara Schumanns mit Korrespondenten in Berlin 1856 bis 1896 / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Eva Katharina Klein und Thomas Synofzik / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2015
ISBN: 978-3-86846-055-1
637-642

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6723-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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