Wildbad d. 18 Aug 1859.
Verehrteste Frau,
Sie entschuldigen, wenn ich auf Ihren lieben Brief, der mir heute zukam, nur wenige Worte sage, da ich recht unwohl bin, wahrscheinlich in Folge zu großer Anstrengungen während des Gebrauches der Cur. Ich wollte hier recht viel Neues (d. h. Altes neu) studieren, und ging im Eifer zu weit. Sie wissen auch, Musik ist ja einzig noch Labsal für ein trauerndes Herz, ich wüßte nicht, wie ich noch athmete ohne sie!
|2| Innig haben mich Ihre lieben Zeilen erfreut, und, kann ich es nur irgend möglich machen, so besuche ich Sie Ende Septbr. in Tübingen, und wir musicieren dann ein paar Tage recht gemüthlich zusammen. Heute hauptsächlich wegen Ihrer Lieder. Schicken Sie sie mir doch <d> im Laufe des Septbr. nach Winterthur in der Schweiz bei Herrn Rieter Biedermann. Ihm hatte ich sie eigentlich anbieten wollen – ist Ihnen |3| dies aber nicht lieb, so sagen Sie mir’s offen, so thue ich es später in Leipzig bei Kistner oder Senff, der auch viel verlegt. Aber, wie stehts mit dem Honorar? liegt Ihnen daran besonders, oder nur an der Veröffentlichung? die Verleger sind gar zu schwerfällig, die Alten, die’s am wenigsten zu sein brauchten, am meisten. Nun, was ich thuen kann, das, verehrteste Frau, soll gewiß geschehen. In jedem Falle erwarte ich die Lieder im nächsten |4| Monat! –
Wohl haben Sie Recht entzückt zu sein über die herrlichen Lieder meines theueren Mannes, und doch sind die von Ihnen genannten nur ein kleiner Theil des großen, reichen Schatzes! –
Kennen Sie Frauenliebe und Leben? die Eichendorff’schen Lieder? die Rückert’schen? die Heine’schen? ach, wie wünschte ich Sie kennten Alle! – Und ich sollte noch Lieder componieren? ich that’s ja aber überhaupt nur, weil’s Ihn erfreute, warum sollte ich es jetzt noch? ich kann auch nicht mehr, seit mein Herz geknickt ist.
Leben Sie wohl! möchte Ihnen der Landaufenthalt recht gut thuen.
Von Herzen drückt Ihnen die Hand Ihre
wahrhaft erg
Clara Schumann
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