Cöln d. 20 Octbr 1858.
Lieber Joachim,
welch ein Querstreich ist das aber, der uns gespielt wird! wie konnten Sie aber auch den König bei solcher Angelegenheit links liegen lassen? nun ist in Wien Alles geordnet, ich hatte drei Tage belegt, Logie bestellt ect. was ist nun zu thuen? ich mag natürlich jetzt nicht allein dorthin kommen, und wieder im März ist die Zeit nicht günstig, da sich dann Alles zusammen drängt. Und wäre das auch nicht, ist denn auf Sie zu bauen? woher wissen Sie schon jetzt, daß Sie den März frei haben? ich weiß wirklich gar nicht was zu thuen! wie hatte ich mich schon darauf gefreut mit Ihnen zu sein, in wie vieler Hinsicht wäre es mir ein Labsal gewesen! – Und nun sagen Sie mir aber, liebster Freund, wie konnten Sie glauben, ich ginge an Hannover vorbei, ohne Sie zu sehen? glauben Sie denn wohl, ich brächte das über’s Herz? verdient man für seine Liebe denn nicht wenigstens gutes Zutrauen? wie oft, immer kam ich ja nur für Sie nach Hannover! Ihr jungen Leute habt doch gar kein Gedächtniß! Sie haben mich wirklich betrübt! – Ihr Brief neulich mit der Hiobspost (die Sie mir freilich nur zu ahnen gaben) kam gerade noch zu rechter Zeit, daß ich nicht zweier Engagements verlustig ging – ich wollte eben abschlagen, weil ich glaubte, es sey die höchste Zeit nach Berlin zurückzukehren. Ich habe gestern in dem herrlichen Saale hier gespielt – ein Fest war mir’s, Mozart D moll Konzert, Beethov Fantasie mit Chor! laut aufjubeln hätte ich mögen. Ich kann das Publikum nicht begreifen, das da noch ruhig sitzt, wohl gar nach seinen Mänteln und Hüten greift; ich meine Alles müßte mit jubeln! es war eine prachtvolle Aufführung, Chor und Orchester wundervoll. Nun, lieber Joachim, bitte, schreiben Sie mir gleich, ob und wieso, warum Sie den März frei haben? ich schreibe dann gleich an Spina. Haben Sie dann auch noch länger als März frei? etwa für Prag und Dresden? wir wollten doch auch nach England? ob ich das nur aushalte so unmittelbar aufeinander! – Ach, warum muß nun immer das leidige Geld sein! mir wäre ein Monat noch Ruhe so nöthig, und doch geht es nicht. Ich bin aber manchmal jetzt so nervös im Concert, daß ich meine, ich müßte mitten drinnen aufhören. Wann beginnen Ihre Concerte? könnte ich doch Eines hören, wenn ich durchreise! Ich denke nun Anfang nächster Woche bei Ihnen zu sein – den Tag schreibe ich Ihnen noch genau. Wäre es nicht möglich, daß ich einige Quartette hörte? dann würde ich mich so einrichten daß ich einen Tag bliebe – aber auch ohne das thue ich es eben so gern, wenn’s Ihnen lieb ist. Morgen spiele ich in Aachen, und Sonnabend in Crefeld. Das Concert in Düsseldorf fiel gut aus, ich habe aber immer an Sie denken müssen! ich spielte mit Königslöw, er spielte auch recht schön, aber es fehlt Allen das Göttliche, Hohe, das Einem bei jedem Tone von Ihnen durchschauert. Eine Freude hatte ich aber in dem Concerte; ich spielte zum ersten Male die ungarischen Tänze von Johannes öffentlich, und fand begeisterte Aufnahme damit – auch Alle sprachen mir noch Tage nachher mit Entzücken davon. Ich selbst liebe die Tänze so sehr! – Ich habe recht viel geplaudert – es ist mir gar so wohl, kann ich’s mit Ihnen. Daß ich nicht früher schrieb lag nur an meinen vielen Geschäfften! bis Sonnabend habe ich in 8 Tagen 5 Concerte gespielt, und immer andere Sachen. Schreiben Sie nur nach Düsseld. ich bin Freitag Morgen schon wieder dort. Bitte wegen Wien! Nun lassen Sie Sich noch die Hand drücken von
Ihrer
immer Dieselbe
getreue
Cl. Sch.
NB: Sind Sie entschieden keinenfalls vom 10ten bis Ende Nov. nach Wien zu gehen? es wären freilich kaum mehr denn 14 Tage, wohl kaum der Mühe werth! – Schonen Sie Sich ja, damit Sie Ihre Erkältung bald los sind.