Düsseldorf d. 6 Octbr. 1858.
Liebe Elisabeth,
wie schrecklich schwer mir der heutige Brief wird, kann ich Ihnen gar nicht beschreiben, ich habe zwei Tage schwer gekämpft, und nun muß ich doch hier bleiben. Ich bekam nämlich von Cöln eine Einladung die Abonnementconcerte mit zu eröffnen, wovon das erste am 19ten stattfindet; ich wies die Sache erst entschieden ab, weil ich mir es gar nicht möglich dachte, daß ich’s so lange noch ohne die Kinder hier aushalten könnte, nun aber stellte man mir vor, wie sehr auch hier ein Concert von [mir] gewünscht wird, da ich seit 5 Jahren nicht hier gespielt, ich überlegte wie schrecklich viel Ausgaben ich jetzt habe, und daß ich, wenn ich vor meiner großen Reise nicht noch einige 100 Thaler verdienen kann, von meinem Capital zusetzen muß, so daß nun die Vernunft über das Herz siegen mußte. Es hat mir aber viele Thränen gekostet um der Kinder halber, ich sehne mich furchtbar nach den drei lieben Mädchen besonders, hätte sie so gern noch einige Wochen in Ruhe um mich gehabt – Sie glauben nicht, wie schwer mir jetzt einmal wieder meine Pflichterfüllung wird! nur das Bewußtseyn kann mich beruhigen, daß ja die Opfer Alle für meine Kinder sind, ich möchte wenigstens das erreichen können, daß sie geistig und körperlich gut ausgestattet in die Welt treten, das kann ich aber hier in Europa nur, wenn ich auch Weniges mitnehme, sey es auch noch so schwer erkauft. Nun aber, da ich noch 14 Tage ausbleibe, und später in der kurzen Zeit in Berlin für Marie nicht Alles besorgen könnte, so muß ich Sie noch um Einiges bitten. Zwar ist es noch nicht ganz entschieden ob ich sie mitnehme, aber ich muß doch Alles für den Fall einrichten; ich will ihr also einige Taillen hier machen lassen. Wollen Sie nun so gut sein mir zu schicken:
1. 6 Ellen von dem in meinem Schrank liegenden wollenen Kleiderstoff (von Frau von Pacher – Marie weiß es)
2. Ein weißes Mullkleid (noch ungemacht, liegt auch da in einem länglichen Pappkasten oder im untersten Fach in einem Korbe)
3. Das Zeug, welches sie zu einer Taille zu ihrem schwarz seidenen Kleide liegen hat.
4. Zur Probe für die Schneiderin die Taille von dem hellen Jaquonett Kleid, welches sie im Sommer trug und welches ihr so gut paßte.
5. Graues und gelbes Futter welches Sie in dem dazu bestimmten Korbe im Schranke ebenfalls finden.
6. Ein [schwarzes] Spitzentuch im untersten Fache meiner Kommode (in der Mittelstube)
7. Im großen Schranke im Korbe wo neue und gefärbte Stoffe liegen ein grau seidenes gefärbtes Kleid.
8. Ebendaselbst ein schwarzes Damastkleid ungemacht (gefärbt)
9. Aus dem Kasten, woraus Sie neulich die schwarzen Spitzen genommen, alle weißen Spitzen welche Sie finden, etwa zu dem Mullkleid als Pellerine für Marie zu benutzen.
10. Aus dem obersten Fache im Schrank die Kragen und Aermel welche Sie in dem grünen, oder weißen Pappkasten finden, die beide zusammengebunden sind. (Ich habe hier eine Putzmacherin, welche mir solche Sachen billig arrangirt.)
10. [sic] Aus einem Lederkasten im 3ten Fache meiner Kommode die feinen Kragen u. Aermel, die ’oben auf liegen, auch Borten (schwarz) die Sie finden, es sind Kragen [u. Aermel] von Points, die ich anders einrichten lassen muß, weil sie ausgeschnitten.
11. 2 Hemden, 2 p. Hosen, 2 p. Strümpfe, und die roth seidene Tasche worin meine feinen Taschentücher (sie werden sich beim Auspacken des kleinen Kasten gefunden haben[)].
Haben Sie die Kiste mit Musikalien von Gött. aus bekommen? bitte, packen Sie sie aus, und schicken mir davon Manuscripte von Brahms in einer Mappe, dann Concert von ihm in weißer Pappe eingebunden (D moll), ferner aus meinem Notenschranke, wenn Sie die 2te Thür öffnen links, da liegen Concerte, davon wünschte ich das Es dur und G dur Concert (nur die Clavierstimme) von Beethoven, im G dur sehen Sie nach, ob Sie nicht einige geschriebene einzelne Blätter [darin] finden, an Denen liegt mir besonders. Dann finden Sie im selben Schranke unten ein längliches Buch mit Bindfaden zugebunden, es sind meine Concertprogramms gesammelt, daraus wünschte ich alle die noch nicht eingebundenen Programms.
Beim Ausräumen der Vorrathsstube werden Sie ein kleines schwarzes Kästchen mit Henkel bemerkt haben, darin liegen Concertbillets (der Schlüssel an einem Bunde mit vielen anderen Kleinen in meinem Schreibtisch), wollen Sie mir davon von einer Farbe – mir fällt eben ein, daß Sie in der Kiste mit Noten von Gött. Billets finden, wäre Diese jedoch noch nicht angekommen, so also aus dem Kasten 600 St. von einer Farbe, und 100 St. von einer Anderen. (Keine wo Joachims Name darauf steht.) Sollte die Kiste von Gött. noch gar nicht da sein, so bitte ich Sie dringend gleich eine Zeile an Herrn Julius Otto Grimm daselbst zu schreiben, und ihn umgehend um Sendung der Kiste zu bitten, da Sie mir Musikalien daraus hierher zu schicken hätten. (Warten Sie aber mit Ihrer Sendung an mich ja nicht darauf, denn gerade diese Sachen sind nicht so wichtig. Da fällt mir eben ein, ich brauche sehr nöthig ein Adreßbuch, was Sie auch wohl beim Auspacken gefunden.
Noch muß ich um meinen schwarzen Moireerock, einen gestrickten weißwollenen und einen weißen mit gestickter Kante zum Concert bitten, sowie um ein paar weiße Atlasschuh, welche Sie in meinen guten Kleiderschranke in Leinwandtäschchen finden, und in meinem Wäscheschränkchen ein paar Zwirnstrümpfe, welche ich immer dazu gebrauche. Nehmen Sie zu den Sachen den kleinen schwarzen Koffer, da wird schon Alles hineingehen. Für Elise und Julie lassen Sie noch keine Winterkleider, auch die Hüte noch nicht zurecht machen, besser wir überlegen das Sparsamste dann zusammen; für Beide ist noch sehr viel Altes zurecht zu machen. Aber gut wäre es, brächte Marie all ihre Wäsche, 6 Hemden, 6 p. Strümpfe,
3 Nachtmützen, 3 weiße Unterröcke, ihren wollenen und schwarzen Moireerock in guten Stand, ebenso alle Kragen und Aermel, damit wenigstens das Alles in Ordnung, dann wäre es sehr gut, bestellten Sie schon jetzt eine Schneiderin für 3–4 Tage (mindestens), in der Woche vom 23ten bis 29ten d. M., damit sie Marien’s Rock zu dem neuen Kleide, und Schlafrock, und noch ein Kleid von mir in Stand bringt. Liebste Elisabeth, ich bin recht betrübt über das Alles, was ich Ihnen heute aufbürden muß, es kann aber nichts helfen. Haben Sie Nachsicht. Ich hoffte heute Morgen vergebens auf Nachricht von Ihnen. Woldemar schreibe ich Morgen, auch wegen Radecke. Haben Sie Geld bekommen? wo nicht, so schicke ich Ihnen Anweisung auf Mendelssohn. Küssen Sie alle meine Kinder innigst – sagen Sie den Mädchens daß ich recht sehr traurig bin noch die lange Trennung aushalten zu müssen. Sie sollen mir doch recht bald alle Drei schreiben und ihre Censuren mitschicken, worüber ich sehr erfreut. Sind sie auch Alle recht fleißig? gehen sie täglich spatzieren?
Adieu, liebe, gute Elisabeth. Gedenken Sie Ihrer tiefbetrübten
Cl. Sch.