London d. 3 Mai am
Tage Joachim, Georg Maria.
Liebster Joachim,
gestern schreibt mir Joh. daß Sie nach Venedig reisen – wie bin ich erstaunt und erfreut darüber! ich muß Ihnen doch einen Gruß auf die Reise mitgeben und nicht länger will ich die Undankbare scheinen, die auf drei Briefe nicht antwortet. Sie haben mich so sehr damit erfreut, lieber Joach., aber ich bin in einer Stimmung, wo’s am besten, ich verschone meine Freunde mit Briefen. Was ich innerlich leide, das läßt sich nicht beschreiben, die beste Lebenskraft ist von mir gewichen – für mich hat auch das Leben keinen Werth mehr; wohl muß ich, ich muß noch für meine Kinder arbeiten, und darum noch leben, aber mein Herz ist mir geknickt. Er, lebend, und doch verloren für uns, der herrliche Mann, Ihn zu sehen stumpf, theilnahmlos, so unnennbar unglücklich! wie ich das nur noch ertrage, weiß ich nicht! der Schmerz nimmt aber ein gutes Stück von meinem Leben, denn ich bin elend körperlich, schleppe mich von einem Tag zum Anderen hin – noch nicht eine freudige Minute hatte ich, so lange ich vom Hause fort bin. Doch genug davon! ich halte aber aus, <d> so lange es meine Kräffte hergeben – ernstlich an’s Fortreisen hatte ich nie gedacht, auch hat London mich gar nicht erschreckt, in solchen Dingen, wie Reisen, Concerte geben ect. da fehlt mir der Muth nie, aber ich dachte der Schmerz würde mich krank machen hier, allein, entfernt, von allen Lieben, darum sprach ich von der Rückreise. Ueber das Publikum gegen mich kann ich ja nicht klagen – ich bin immer enthusiastisch aufgenommen, sogar im 2ten philh. Concert, wo ich Mendelssohn’s 2tes Concert so schlecht spielte, wie ich überhaupt nie öffentlich gethan! ich war in Fieber, hatte den Tag wieder sehr betrübenden Brief gehabt, und war so geschwächt im Kopfe denken Sie, daß ich das Thema im dritten Satze nicht einsetzte. Trotzdem war das Publikum so entzückt, daß ich mich ordentlich schämte. Engagements habe ich nun freilich noch nicht so Viele, d. h. für London. Ich gebe diesen und nächsten Monat drei Matineen, wo ich nur allein spiele, die mir Jede mit 20 Guineen <s> gesichert sind, ich aber mit Nichts zu thuen habe, um gar nichts mich kümmere. Ich habe vielleicht so weniger, aber auch keine Mühe und keine Dehmüthigungen [sic], die ich mir übrigens auch nicht gefallen lasse. Neulich in einer Soiree, wo die Lady’s sich laut unterhielten, als ich spielte, hörte ich auf, legte die Hände in den Schooß, und sagte, ich sey nicht gewohnt zu spielen, wenn man sich unterhalte. Ich sah dann ganz ruhig in die Gesellschaft, und begann erst wieder, als es still wurde, und so blieb es nun aber auch den ganzen Abend. – Verdienen werde ich hier, aber nicht so viel, als auf der Wiener Reise – es kostet das Leben zu viel, und die Engagements sind zu schlecht. D. 20 spiele ich in Liverpool, den 19ten wahrscheinlich zum 2ten Male in Manchester – einmal war ich schon dort. Nach Dublin sollte ich auch kommen, doch für Wenig wollte ich nicht, und meine Terms waren ihnen zu hoch. Bei der Königin spielte ich ein Mal zwischen allerlei unbeschreiblichem Schund, was mir sehr leid war, denn wie viel lieber hätte ich Ihr einmal eine Stunde allein vorgespielt. Honorar erhielt ich noch nicht, sie soll aber schlecht bezahlen. An die Gräfin Bernstorff, die mir zwei Mal so liebenswürdig schrieb<e>, schreibe ich nächstens – einstweilen danken Sie Ihr sehr. Bennett’s sind sehr lieb gegen mich, auch Miss Horsley, Klingemann sehe ich leider gar nicht, da er mit seiner Frau auf dem Lande ist. Zuweilen kommt er wohl, aber dann ist’s nur zu Gesellschaft. Ich fange an mit Roberts leichtesten Compositionen, ein schlimmer Feind ist aber die Times, die neulich sogar „des Abends“ nicht verstanden hatte, sonst aber mich außerordentlich hervorhebt. Das Publikum ist zu dumm, es fühlt nicht, läßt erst die Times fühlen, und fühlt dann mit. Ich will Ihnen Adieu sagen, es wird mir das Schreiben schrecklich schwer, weil ich mich mühsam von dem abziehen muß, was mein ganzes Herz erfüllt. Leben Sie wohl, geliebter Freund, und seyn Sie recht froh und glücklich auf Ihrer schönen Reise! Sehen Sie Gisela, so danken Sie ihr sehr für den aufopfernden Brief (<> Bogen waren’s) – leider aber sagen die Aerzte, mein armer Mann habe nicht mehr die Kräffte für solche magnetische Cur. Wenn Sie zurück sind, dann schreiben Sie mir einmal wieder, nicht wahr? auf der Reise, unter Italiens blauem Himmel kann ich nicht verlangen, daß Sie Meiner gedenken, aber nachher thuen Sie es Ihrer
getreuen
Cl. Sch.