23.01.2024

Briefe



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ID: 8633
Geschrieben am: Freitag 08.12.1854
 

Berlin d. 8 Dec. 54
Abends.

Das war wieder einmal recht ein Labsal, liebster Joachim, Ihr Brief – da bekömmt man ja erdenklich Lust zum Concerte geben. Könnte ich Ihnen nur nun auch solch einen Brief schreiben! ach, leider kann ich Ihnen ja nie Gleiches mit Gleichem vergelten! lassen Sie Sich einstweilen im Geiste, bald in Person die Hand drücken. Mit Ihrem Briefe kam auch Einer von Johannes – wie oft begegnet Ihr Euch bei mir, das ist doch recht schön, kann mich recht innig freuen! – Johannes ist außer sich, daß er die Ouvertüren nicht bekömmt! warum schicken Sie sie Ihm nicht? können Sie Sich denn nur gar nicht denken, wie man sich wohl nach Ihnen und Allem von Ihnen recht sehnen kann? auch seinen Brief vom Robert hätte er gern wieder. Schicken Sie es Ihm doch ja, ehe Sie reisen. Der Arme sitzt da, käme so gern, und kann’s doch nicht! – Denken Sie aber, in Berlin könnten wir mit größter Mühe nur eine fehlerhafte Ausgabe der Bach’schen Sonate auffinden, bringen Sie ja Ihr Exemplar mit, bitte. Ich wundere mich wahrhaftig, daß ich die Kreutzer’sche bekommen habe! – Hätte man gewußt daß Guillelmi gleich hätte können mit Ihnen kommen, so hätte er Uebermorgen singen können – denken Sie, noch habe ich kein Gesangsstück, trotz aller Bemühungen. Das ist die große Stadt Berlin! – Ihre Programms, lieber Freund, sind ja herrlich – da kann man ordentlich drin aufgehen; was wäre das eine Wonne sie Alle auszuführen! Ich kann Ihnen aber gar nicht sagen, wie leid es mir thut, daß Sie noch am Abend abreisen müssen! welche Anstrengung für Sie! und wären Sie nur Einer, der sich nachher zur Belohnung recht pflegen ließe, aber Ihr thut Euch ja jetzt Alle so groß mit Euerem Mittelalter. Nun, bis Uebermorgen Früh! wie freue ich mich so herzlich auf Sie, mein theuerer Freund! und Andere auch, Woldemar, und Viele noch, die aber wieder anders, nicht so, wie ich
Ihre
Clara Sch.

NB: Eigentlich sollte ich wohl nie mehr um Verzeihung für meine Schrifft bitten, denn sie ist immer gleich schlecht, heute thue ich es aber noch ein Mal, bis sich’s nächstens von selbst versteht. Wollen Sie mir wohl Roberts Concertstück wieder mitbringen? An Grimm schönste Grüße! Das bewußte Flacon habe ich ohne Ihre Erlaubniß nach Leipzig geschickt. Sie sind doch nicht bös, das [sic] ich vorgegriffen? ich dachte aber, vielleicht wäre es Ihnen lieb, nicht mehr damit belästigt zu werden! ich habe Sie übrigens auf Kosten Grimms sehr in Schutz bei Emma genommen! das war vielleicht auch nicht recht? nun, dann zanken Sie, gut werden Sie doch wieder! – Addio! – für Klavier und Orchester

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
166ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6305-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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