Verehrteste Frau,
so sehr Ihre theilnehmenden Worte mich erfreut haben, so kann ich Ihnen nicht verhelen, wie tief im Innersten des Herzens Ihre Sendung mich geschmerzt. Sie, die so hochbegabte Künstlerin, die Sie im Menschen die innersten Saiten so tief zu rühren wissen, Sie begreifen dies Gefühl in mir gewiß. Abgesehen davon, daß Gott mir ein Talent verlieh, durch das ich meine Kinder zu ernähren hoffen dürfte, schenkte er mir die Kraft, es also schon eine Verletzung meiner Ehre und Pflicht wäre, nähme ich solch ein Geschenk an, so fühle ich eine noch weit heiligere Pflicht die Ehre und Würde des Mannes zu wahren, der als Mensch, wie als Künstler gleich hoch geehrt in der Welt dasteht, mein liebstes auf der |2| Welt ist, und zu dem ich neben der Liebe in höchster Verehrung immer aufgeblickt habe. Denken Sie, theuerste Frau, wie unwürdig ich Seiner wäre, wollte ich Geschenke der Art annehmen, während ich so reich vom Himmel in meiner Kunst gesegnet bin, und ihm, meinem geliebten Mann, eben auch als Künstlerin so unendlich viel danke. Daher muß ich Ihnen das Papier zurücksenden, thue dieß aber gewiß nicht mit undankbarem Herzen! ich danke Ihnen auf das Innigste, theuere Frau, und, sollte Gott mir auch noch einmal die Prüfung schicken, daß ich nicht Kraft hätte, meine Kinder zu erziehen, so erlauben Sie mir mich Ihrer letzten Worte in Ihrem Briefe zu erinnern, nämlich als wahrhaft theilnehmende aufopfernde Freundin. Ueber meine jetzige Lage kann ich Sie insofern beruhigen, als, hätte der Himmel mir das größte Unglück geschickt, meinen Mann zu verlieren, er mir doch so viel herrliche Früchte seines unermüdlichen |3| Strebens und Fleißes hinterlassen haben würde, daß ich selbst dann noch keiner augenblicklichen Sorge unterworfen wäre. Wie tief gebeugt und wie im Innersten des Herzens durch meines geliebten Mannes Leiden bekümmert ich bin, brauche ich Ihnen nicht zu sagen, doch wird es Sie freuen zu hören, daß die Aerzte in seinem Zustande durchaus kein Symptom von Unheilbarkeit zu erkennen glauben, und die Nachrichten des Arztes, dessen Pflege ich ihn übergeben habe (freilich mit blutendem Herzen, wie Sie Sich denken können) schon ziemlich beruhigender Art sind, obgleich eben eine schnelle Genesung nicht zu erwarten ist. Uebrigens geschah es auf meines Mannes eigenen dringenden Wunsch, daß wir ihn dorthin brachten, denn er selbst sagte, daß er nur unter solcher Aufsicht werde genesen können. Sein Geist war ganz klar immer noch während seiner Krankheit, nur hatte sich seiner eine Schwermuth bemächtigt, die zu bewältigen er nicht Kraft hatte; der ganze |4| Zustand ist Folge überreitzter Nerven durch zu vieles Arbeiten. Noch in seiner Krankheit componierte er in den letzten Tagen seiner Anwesenheit hier ganz reizende und rührende kleine Variationen über ein tief ergreifendes frommes Thema, an Denen ich mein krankes Herz so oft erlabe. Die Hoffnung auf eine Genesung muß mir Muth und Kraft geben, die ich jetzt freilich noch sehr vermisse, denn er füllte zu sehr meine ganze Seele aus, als daß ich die Trennung anders, als unendlich schwer zu tragen im Stande wäre. Ich habe mich jedoch schon so weit aufgerafft, daß ich meine Stunden regelmäßig wieder gebe, denn nur Thätigkeit kann mich überhaupt erhalten.
So beten Sie, hochverehrte Frau, für Ihn und mich, empfehlen Sie
mich Ihrem lieben Manne freundlich, und gedenken Sie auch ferner in
Liebe und Theilnahme
Ihrer
von ganzer Seele ergebenen
Clara Schumann
Düsseldorf d. 17 März 1854