23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 8081
Geschrieben am: Samstag 10.04.1841
 

Leipzig d. 10//4 41
Lange konnte ich Dir, liebe Emilie, nicht schreiben, und auch heute kann es nur wenig sein, da ein junger Herr (Eckert aus Berlin, ein sehr talentvoller Musiker, <)> der heute nach München u Augsburg abzureisen gedenkt) diese Zeilen mitnehmen will, und ich heute kaum einige Minuten für mich habe. Deinen Brief aus Augsburg erhielt ich – nicht ohne Murren, daß Ihr mir nun wieder so fern gerückt seyd. Daß es Euch dort so wohl gefällt ist ja sehr gut, und Elise hat auch in München bei Hof gesungen? erzähle mir davon! –
Du weißt von Alters her, daß ich das Grollen nicht leiden kann, und mich lieber ausspreche, und so will ich es denn auch jetzt thuen, obgleich die Auseinandersetzung etwas lang werden möchte. Ich schrieb Dir nach Weimar einen langen glücklichen Brief, und dachte Euerer Theilnahme gewiß zu sein; lange kam keine Antwort, endlich der Brief Elisens, worin sie mich um die Besorgung des Albumblattes bat – von Dir war kein Wort dabei, im Bezug auf meine |2| Dir mitgetheilten Hoffnungen keine Syl¬be, – das kränkte mich, diese Kälte schmerzte mich von Euch am meisten, obgleich ich mir anderseits sagen mußte, daß solch ein Gefühl des Glückes nur eine Mutter verstehen kann. Ich hatte nicht gemeint, daß Elise aus Eitelkeit Thalberg nicht selbst um das Blatt gebeten, sondern ich meinte der Beweggrund, daß sie mir schrieb, war die Eitelkeit, von Thalberg ein Albumblatt zu haben – eine sehr zu entschuldigende Eitelkeit, die mich nur gerade bei dieser Gelegenheit beleidigte, wo ich einen warmen theilnehmenden Freundschaftsbrief erwartete. Ich hätte übrigens ganz darüber geschwiegen, hättest Du mir nicht Vorwürfe gemacht, daß ich gar nicht schriebe, wozu ich wahrhaftig keine Lust haben konnte, da ich ┌auch┐ wußte wie sehr Ihr mit Euch Selbst beschäftigt waret. Ich überlasse es nun Deinem Herzen, das Dir am Ende doch sagen muß, wer Recht oder Unrecht hat. Genug nun davon! –
Am 31ten März hab ich ein brillantes Concert gegeben – es war wohl das schönste mit in diesem Winter und das Publikum ein höchst enthusiastisches. Ich wurde empfangen mit einem so anhaltenden Enthusiasmus, daß ich blas und roth wurde – es hörte nicht auf, selbst, als ich schon am Clavier saß. (So hörte ich noch Niemand empfangen, selbst Thalberg hatte sich dessen nicht zu erfreuen.) Daß dies mir Muth machte, kannst Du Dir denken, die ich an allen Gliedern zitterte vor Angst; ich spielte, wie ich mich selten erinnere gespielt zu haben – der Beifall nach jedem Stück war endlos – Eines mußte ich sogar wiederholen. Meines Mannes Sym-phonie errang |3| sich einen Sieg über alle Kabalen und Intriguen des Vaters; nie hörte ich eine Symphonie mit solchem Beifall aufnehmen, sie ist aber auch herrlich! – Mendelssohn dirigirte sie, und war überhaupt das ganze Concert hindurch der Entzückteste Mensch, die größte Freude strahlte aus seinen Augen. Die Lieder machten auch entschiedenes Glück, und das Letzte mußte die Schloß wiederholen unter allgemeinem Enthusiasmus. Der Zettel folgt mit (vielleicht interessirt es Elisen, daß sie ihn einmal durchliest), und zugleich ein Brief von Mendelssohn, dessen Be¬sorgung ich übernommen – er glaubte Euch immer noch in Weimar. Er ist es, der mir von Josephine Lang oft erzählt hat, als ein überaus großes Talent, und eine reizende Liedersängerin. Ich kenne mehrere ihrer Lie¬der. Siehst Du sie wieder, was doch sehr wahrscheinlich ist, so versichere sie meiner Hochachtung und geistigen Zuneigung.
Wegen des Briefes vom Vater beunruhige Dich nicht, – er ist längst schon geschrieben und wahrscheinlich, <vorher> ehe er den an Dich gerichteten Brief anerkannte, was er bereits vor 2 Monaten ohngefähr gethan. An eine Zurückerlangung des Briefes ist jetzt nicht zu denken, würde auch nichts helfen, da er ihn selbst anerkannt, er also nicht mehr als ungültig betrachtet wird. Diese Schreckschüsse vom Vater laß nun an Dir vorbeisaußen – Du siehst doch ein, daß ich die Sache nicht ändern kann, und <meine Bitten> ┌meinen Mann┐ können, was seine beleidigte Ehre betrifft, keine Bitten von seinen Handlungen abbringen. Uebrigens muß ich Dir etwas mittheilen, was ich Dir nicht verschweigen kann, ob¬gleich es mir so unglaublich vorkam; es nicht den geringsten Zweifel in mir machte |4| nur ärgerte es mich hören zu müssen. Denke Dir, ich wurde neulich von Jemand gewarnt Dir nicht zu trauen, Du stündest mit dem Vater in ganz gutem intimem Verhältniß, und die Person behauptete sogar, Du habest hier geäußert, Du habest mir den Brief nicht gutwillig gegeben, sondern <,> ich habe ihn Dir mit Gewalt entrissen. Ich sagte gleich, das ist unmöglich, und auch mein Mann behauptete dies mit der größten Festigkeit – Du kannst Dir aber doch gewiß denken, daß mich so etwas für den Augenblick, wo ich es hörte, alterirte, daß ich es mit anhören mußte. – Woher weißt Du, das [sic] der Vater mit Müller correspondirt? wenn Du mich lieb hast, so sag es mir.
Bei Silber war ich schon vor 4 Wochen; sie sagten sie wüßten nichts von dem Koffer, wollten aber sogleich nach Frankfurth schreiben und ihn nach Augsburg befördern lassen, 3–4 Wochen könnte es aber dauern, ehe er ankäme. Frage zuweilen dort nach, ob er angekommen, ich will auch dieser Tage noch einmal hingehen und erinnern.
Mendelssohn ist noch nicht entschieden, wohin er geht; entweder nach Italien, dann bleibt er 1 1/2 Jahr, oder in die Schweiz, dann kehrt er zum Winter zurück. Letzteres zu thuen scheint er mehr Lust, als Ersteres, ┌da┐ doch die <dr[?]> Reise mit Frau und Kindern (er nimmt sie Alle mit) <sehr> so weit, sehr beschwerlich ist. David ist mit seiner Frau und einem Kinde in London, und kommt vor 3 Monaten nicht zurück – wenn er nur überhaupt wieder kömmt.
Ich bitte Dich dringend, schreibe mir gleich wieder wo Ihr seyd, ob in München? ob Ihr in Augsburg bleibt, ob Elise dort gesungen hat ect. ect. Vielleicht wählt Ihr Augsburg ganz und gar für Euren künftigen Auf¬enthaltsort, da es doch gewiß unter so angenehmen Familieverhältnissen Deiner Mutter, die Du herzlichst grüßen mögest, sehr wohl dort gefallen wird?! –
|5| Grüße Elise, Lina, Deinen Vater, und kannst Du dazu kommen, so gedenke einmal in alter Freundschaft an mich, was ich daraus sehen werde, daß Du mir schreibst – Zeit hast Du sicherlich.
Wie immer
Deine
Clara.
NB. Wärst Du hier! mündlich wollte ich Dir von einer Person, die Dich auch interressirt, etwas erzählen, daß Dich erstaunen und lächeln machen würde. Es ist das tiefste Geheimniß, daher ich es ┌Dir┐ schriftlich nicht mittheilen kann, es dauert mich aber, daß ich es nicht kann.
Henriette schrieb mir neulich, daß Du ihr noch gar nicht geantwor¬tet, oder wie das ist! es waren nur ein paar Worte.
Mein geliebter, und täglich inniger geliebter Robe[rt] grüßt. Er steckt in großer Arbeit, in Musik bis über die Ohren. Seine Symphonie wird diesen Sommer [bei] Härtels gedruckt – er denkt schon wieder an n[eue] Werke. Was liegt in diesem Manne für ein Schatz von Poesie, Geist und dabei mit solcher Herzensgüte vereint!, doch was schwatze ich zu Dir, die Du das schon viele tausend Mal von mir hören mußtest!!! –
[Adieu] und noch einen Kuß! –
No[ch Eines]: ich muß Dir doch sagen, daß ich hinterm Hause [ein] kleines Gärtchen habe, das mich sehr erfreut; ein kle[ines] Zelt habe ich mir bauen lassen, wo ich wohl meist den [ ] Tag zubringen wer¬de – wenn es nur erst wärmer würde[.] – Wäret Ihr hier, ein Veilchen¬sträußchen könnte Euch [mein] Gärtchen, so klein es auch ist, schon spenden.
|6| Ihro Wohlgebor
Fräulein Emilie List.
in
Augsburg
Abzugeben im Hause
der Madam Schüle.
frei
<>

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Leipzig
  Empfänger: List, Emilie (962)
Empfangsort: Augsburg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
139-145

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 11a/b (S. 1-4); D-Zsch, s: 3244-A2 (S. 5/6); Abschr. [gek.] in Copien-Mappe Marie Sch.
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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