D. 14ten Sebtembr. [sic] 1835
Liebe Emilie,
Sehr hat mich Dein Brief gefreut <,>. Er kam zwar nicht zu meinem Geburtstag an doch einen Tag darauf.
Dieser Brief wird gewiß von meiner guten Laune zeigen, denn so schön ist mein Geburtstag noch nie ausgefallen als Dieß Jahr. 1). bekam ich ein wollenes feines Mousselinkleid. 2) ein gewöhnliches mousse¬lin Kleid. 3) ein Merino-Kleid. 3) ein wollenes kleines Umschlagetuch. 4) ein kleines Grepptuch. 5) ein paar Hausschuh zum Winter. 6) einen Taschenkalender, von Herrn Hartman. 7) Ein Buch voll Balladen und Romanzen von verschiedenen Dichtern zum componieren; desgleichen ein Buch von Lyser, in welchem Herr Günther, Schumann ect geschildert ┌sind ┐. (Auch ich bin mit darin erwähnt[)]. <, und> das alles ┌kam ┐ <von> ┌von Herrn Wenzel. 8) vom Vater die ganzen Novellen von Schefer. 9) von Herrn Schumann die ganzen Werke von Bullwer. Die Hauptsache kommt nun noch. Wie Du wissen wirst war mein Geburtstag Sontags. Also frühmorgens um halb 7 Uhr bekam ich meine Sachen, und als ich das besehen hatte, trieb ich meinen Vater an daß wir fortgehen wolltn, sonst würde es zu spät. (Wir hatten uns nähmlich vorgenommen in den kleinen Kuchengarten zu gehen.) Doch der Vater sagte „Warte nur noch ein wenig. Die andern Herren wollen noch kommen um mit uns zu gehen. Ich denke, was soll denn das bedeuten, daß der Vater so lange auf sie wartet? Doch eben will ┌ich ┐ auf den Saal gehen als ein Mädchen kömmt. Sie hatte einen schönen Kranz auf einem gläsernen Teller. Ich, welche sie als Schumanns Mädchen erkannte, nahm ihr den Teller ab, doch ich sehe hinein und denke Dir den Schreck, finde daran ein Körbchen mit einem Henkel von Porzellan und in dem Körbchen eine – goldene Cylinder Uhr. <Meine> Mein Erstaunen kannst Du Dir nicht vorstellen, so wie auch meine Freude. Doch wirst Du gewiß wie ich auch |2| denken die Uhr kann doch nicht von Schumann allein sein? Nun das war auch nicht der Fall. Sie war nähmlich von, Schumann, Reuter, Ulex, Rakemann, Wenzel und £ (Pfund). Wir gingen gleich darauf <,>– ich mit der gol¬denen Uhr – in den Kuchengarten, <und> da waren Stegmayers und hatten einen großen Blumenstrauß auf den Tisch gestellt. Wir saßen nicht lange so kamen die eben erwähnten Uhrgeber <,> mit brennender Liebe geschmückt, an. Meine Verlegenheit kannst Du Dir denken. Ich konnte kein Wort hervorbringen und der Vater bedankte sich an meiner Statt. Ich getrauete mich gar nicht mit ihnen zu sprechen und nur erst auf dem Heimweg schilderte ich ihnen meine Freude über das schöne Geschenk. (Das erwähnte Körbchen von Porzellan war von Herrn Schumann allein).
Als wir nach Hause kamen, bekam ich von Emilie Kunze, noch ein<e> weißes Schürzchen. Darauf spielte ich ein wenig Clavier. Um 12 Uhr kamen die 6 Herrn wieder so wie auch Felix Mendelsohn welche bei uns aßen. Nun denke Dir meinen Heldenmuth, nähmlich als es bei’m Campagner [sic] war stand ich auf <Alles> mit dem Glase in der Hand. Alles staunt und ich fange an und sage „Meine Herren, ich kann nicht umhin ihnen meinen verbindlichsten Dank für das schöne Geschenk zu spenden.“ War das nicht schön. Die Herren können es mir noch gar nicht vergessen. <Nach> Ich mag auch gut dumm ausgesehen haben. Meine Mutter und mein Vater waren ganz überrascht davon, da ich ihnen gar nichts gesagt hatte. Nach Tisch spielte ich Mendelsohn viel vor und auch er spielte. Das nähere mündlich. Um 5 Uhr nachmittags entfernte sich alles doch um 6 Uhr kam Herr D. Reuter und Schumann sowie auch der Vater um uns zum Spazierengehen abzuholen. Doch es wurde getanzt bis 8 Uhr und dann gingen wir spazieren. (meine Tanten und eine fremde Cousine kamen Abends herhin [sic]).
Dieß war der berühmte 16te Geburtstag. O, Emilie, wärst Du nur hier gewesen. Es war prächtig. Ich vergesse diesen Tag sobald nicht wieder. Wir haben noch eine Nachfeier verspart bis Du und H. Bank wieder da seit [sic]. Bank ist nähmlich in Eisenach bei einem guten Freunde. (Auf dem Kranz lag auch ein schönes Gedicht von Ortlepp.)
|3| D. 15ten.
Gestern war ich bei Deiner Mutter mit Madam Stegmayer und meiner Mutter. Ach, wie sehnte ich mich nach Dir. Du versäumst jetzt viel. 1) <ist Moscheles> kommt Moscheles in einigen Tagen, 2) kommt Fran¬zilla Pixis ect. Bleibe doch ja nicht so lange in Stuttgard und kömme mit der ersten besten Gelegenheit, Deinen Eltern ist es gewiß ganz egal ob Du auch etwas eher kömmst. In einigen Tagen wird Striegel zu uns kom¬men und Faxen machen. Auch Mendelsohn wird zu uns kommen. So mache doch nur daß Du bald kömmst. Ich kann es nicht mehr aushalten ohne eine Freundin denn Du fehlst mir an allen Ecken. – Ernestine geht mit einer adeligen Familie nach London. Ich hab’ es von Hr. Schumann gehört. Was die Heirathsgeschichte ist, wirst Du wohl schon aus meinem vorigen Brief gesehen haben. Daß Du Schlesiers schönes Angesicht schauen kannst, beneide ich Dich. <Sihehst> Siehst Du ihn, so grüße ihn von mir! Um die Musik der Kuhhirten beneide ich Dich sehr, denn so ein Thuthorn muß doch ganz was prächtiges sein. – Deine Clavier-beschreibung habe ich erhalten. Dieser Brief trifft Dich wahrscheinlich in Stuttgard. Ich wollte ich könnte Dich in den Postwagen prügeln, denn ich habe schon Angst. Am Ende gefällt es Dir in Stuttgard sehr und dann bleibst Du so lange weg. Ach wenn ich daran denke könnt ich sehr böse auf Dich werden. – <G>
d. 16ten
Gestern war ich bei Madam Voigt. Da siehst Du Deine Freundinn. Nun Du fort bist, bekümmert sie sich nicht mehr um Dich. Sie hätte Dir doch gewiss schreiben können aber sie meint „Sie hätte so viel zu thun.“ O, das ist Maske[?], denn an eine Freundin so wie Du kann eine Frau die keine Kinder hat und sonst auch nicht viel zu arbeiten hat, wohl schreiben. Es ist mir lieb, daß es so gekommen ist, damit Du doch <siehst> die Freun¬din siehst welche Du vergötterst, ohne den Dank und Beweis ihrer <ge> Freundschaft wieder zu sehen. Sie war sehr neidisch und machte schreck¬liche <Gesicht> Gesichter, als ich ihr erzählte daß Mendelsohn bei uns gewesen sei und mit mir gespielt habe; Nun ich will mich besinnen und nicht Deine angebetete heilige Göttin entheiligen und ┌Dich┐ Deinem Wahne ihrer Liebe <entreißen> zu Dir entreißen. Jetzt zu etwas Ande¬rem. O, ich möchte immer zanken auf Dich daß Du nur bald kömmst. Du wirst ┌doch ┐ <nur> das Concert von Moscheles nicht versäumen wollen? und das der Pixis? und das erste Abonnementconzert am 4ten Octobr, wo <Felik> Felix als Dirigent zum ersten Male auftritt? O, schäme Dich, wenn Du so etwas thust. Es kommt ja nun auf Dich an bald hieher zu kommen. Fahre doch mit der ersten besten Gelegenheit fort! Wenn ich wie Du wäre, wär ich schon auf dem Wege. In Stuttgard wird das Theater auch nicht besser sein als hier. Die Ringelhardt giebt nächstens die Alice in Robert le Diabel.
|4| Nota bene, da <wir> ┌ich ┐ jetzt französisch plauderte, willst Du nicht, wenn Du zurückkömmst mit mir Stunde nehmen bei der Tante Kunze. Ich hab schon lange da Stunden mit der Braunsdorf und es ist recht hübsch. Doch jetzt ist dieselbe nach Dresden gezogen und nun bin ich allein. Ach, ich sehne mich schrecklich nach Dir. O, so komm doch nur. Deine Mutter hat mir auch gesagt, daß sie sich sehr freut, wenn Du nur so bald wie möglich kämest. Ob Du Dem. Carl siehst oder nicht. (Eben war Schumann da und sagte mir, daß mir Mendelsohn eine seiner Compositionen bringen wird.) Eichberger mußt Du vor seiner Abreise doch auch noch ein mal hören!
Es schlägt 3 Uhr und eben kommt die Tante Kietz um mit mir in Gerhards Garten baden zu gehen. Ach wärst doch hier, so könn¬ten wir zusammen gehen. Heute gehen wir nach Connewitz und morgen nach Lütschena mit Schumann und seiner ┌geträumten ┐ – (Gattin). Er macht sich gar nichts mehr aus ihr, so viel kann ich Dir nur sagen. Mündlich mehr. Nun ich schließe mit der Bitte daß Du bald kommen <mögest[?]> und Dich setzen mögest auf den Stuhl neben dem Clavier zu Deiner getreuen Freundi<n>n
Clara.
Es folgt das schöne Gedicht von Ortlepp. Ich schicke es Dir, damit Du doch ein wenig Unterhaltung hast.
Fräulein Emilie List.
in Blaubäuren
d. G.