Vordereck bei Berchtesgaden d. 15t Aug. 1884, Pension Moritz.
Lieber Volkland,
da kommt wieder ein kleines Heft – ich glaube, Sie haben es noch nicht gehabt, bitte, lesen Sie es durch u. senden es direct an Haertels. Für die vorige Sendung an Letztern herzlichsten Dank, und vor allem auch für Ihre lieben Zeilen, die ich mit wahrer Freude gelesen. |2| Wie schön, daß die Basler sich so anerkennend gezeigt und in so practischer Weise. Ich glaube kaum, daß so etwas in Deutschland vorkäme, freilich, ist wohl bei uns auch nicht der Reichthum. Halten Sie nur aus, lieber Freund, u. legen Sie sich immer etwas zurück, bis es ein hübsches Capital ist, und dann suchen Sie sich in Deutschland ein „home“ wo Sie ausruhen, d. h. eben nur so viel |3| arbeiten, als es Ihnen Bedürfniß ist. –
Wo sind Sie nun? wirklich in Aeschi, oder wie es heißt! wie gefällt es Ihnen da? –
Wir haben eigentlich keinen schönen Sommer gehabt, viele Sorgen, besonders um meinen Ferdinand, der sehr elend war, dann Anderes noch, womit ich Sie nicht ermüden will, was ┌mich┐ aber besonders trübe stimmt, hat Marie eine Art Newralgie im Bein, nun schon seit 3 Monaten, was nicht weichen will, |4| Sie kann gar nicht gehen weil es gleich die Schmerzen vermehrt, das ist aber erstlich doch nicht gut für ihre Gesundheit, dann doch auch in so herrlicher Gegend, wo man immer nur spatzieren laufen möchte, recht niederschlagend. Ich kann ja auch nicht viel gehen, aber doch einige Male am Tage eine halbe Stunde. Ich selbst habe auch viel an Gesichtsschmerz gelitten, bis ich mich, gegen den Willen meines Hausarztes, zu einer Morphium-Einsprützung hier entschloß – Diese hat mich denn wirklich befreit. Aber, |5| ich kann aus der trüben Stimmung nicht heraus, Mariens Leiden drückt zu sehr auf mein Gemüth. Sie selbst trägt es bewunderungswürdig, thut nur zu wenig dafür, behauptet immer, es werde mit der Zeit von selbst besser werden. Es ist ein Glück für uns, daß wir Beschäfftigung haben; ich habe ein Pianino mit und übe täglich etwas, dann arbeite ich an der instructiven Ausgabe. Da fällt mir ein Sie um etwas zu fragen: im Carnaval bei |6| „Sphinxes“ habe ich bemerkt: „Die Sphinxes“ sollen nicht gespielt werden“. Ich hätte aber gern noch eine Erklärung gegeben, daß sie ja nur in geheimnisvoller Weise <> auf die Anfangsnoten eines jeden Stückes fast hinweisen sollen – wie könnte ich das klar und verständlich ausdrücken, ohne viel Worte zu machen? neulich rieth mir Jemand hinzufügen: „sie geben nur f. das Auge in einer humoristischen Form die Anfangstöne <fast eines jeden Stückes>┌der meisten der Stücke┐“ ┌das ist wohl besser als „fast eines jeden Stückes?“ ┐ Humor sagt Marie, und ich glaube sie hat Recht, ist das |7| doch nicht zu nennen. Was meinen Sie dazu? sagen Sie mir gelegentlich ein Wort.
Wir haben schon verschiedene Besuche hier gehabt, Levi, Joachim, Herzogenbergs leider nur ein Mal, es ist gar zu umständlich für sie herauf zu kommen, da Frau Lisl nicht steigen darf, und zu Wagen die Sache auch kostspielig ist. Ihr neues Haus soll reizend sein – wir wollen später noch ein paar Tage n. Berchtesgaden, dann hoffen wir sie noch ein paar Mal zu sehen. Wie gern redete ich Ihnen zu, doch hier herauf zu |8| aber, ich könnte es nicht mit leichtem Gewissen, denn hier b. d. Moritz ist es sehr theuer, u. bei der Thekla würde es Ihnen nicht gefallen, die Luft ist da nicht so gut, es stinkt sehr drinnen, dann sind die Zimmer enorm klein, u., keinen Schritt kann man anders als steigen, vom Haus aus zu uns ist noch ein steiler Weg, der den Verkehr sehr erschwert. Aber, ich hoffe Sie besuchen uns bald ’mal in Frankfurt, bitte, thuen Sie es ’mal, vielleicht zwischen Weihnachten u. Neujahr? – Und nun, herzlichste Grüße an Sie Beide, und die Bitte, um baldige Nachricht, wie es Ihnen geht? Getreu Ihre Clara Schumann.
Die Kinder grüßen schönstens.
Ich denke wir bleiben noch 14 Tage hier oben schreiben Sie später so adressiren Sie nach Frkf. – es wird mir Alles gesandt.
[Umschlag]
Herrn
Musikdirector
Alfred Volkland.
┌Waldstätterhof
Brunnen┐
in
<Basel.>
(Schweiz.)
Es wird gebeten diesen Brief nachzusenden wenn H. Volkland nicht anwesend in Basel ist.