23.01.2024

Briefe



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ID: 7744
Geschrieben am: Dienstag 20.11.1877
 

Büdesheim d. 20 Nov. 1877.
Meine liebe Freundin
einen Gruß muß ich Ihnen heute eigenhändig schicken, waren meine Gedanken doch gestern unausgesetzt bei Ihnen, und empfand ich ordentlich Heimweh! –
Wie gut waren Sie Beide für mich und Marie, und wie von |2| Herzen dankbar sind wir Ihnen! die Reise war sehr gut, und gelebt haben wir ja unterwegs wie die Prinzen. Ich wollte mich eben an meine große Neuenahr-Flasche machen, als wir die verführerische Champagnerflasche entdeckten! Ei, ei, das nenne ich hinterlistig! aber, es war ein wunderbarer Genuß – ich glaube so gut hat mir in |3| meinem Leben kein Champagner geschmeckt; trotz des recht traurigen Gemüthszustandes, in dem ich mich befand. Ich las ┌nun gar noch┐ die Novelle von Storm – <s>Sie hatten recht, als Sie meinten Diese sey so traurig! ich war ganz überwältigt <>davon, denken Sie, noch heute muß ich immer daran denken – ich meine Traurigeres hätte ich nie gelesen! –
In Frankfurth erwartete uns Sommerhoff, und hier alle die Anderen. |4| Ich fand auch Briefe von Herzogenbergs – viele hübsche Logie’s im Vorschlag und die Einladung von hier nach Leipzig zu kommen und selbst auszusuchen. Sie können sich nun meine Zweifel und Aengste denken! – Marie sagt, sie könne nichts beschließen, so muß ich denn selbständig handeln! –
Wir besahen uns Abends noch all die Herrlichkeiten Elisens – es ist ganz prachtvoll was sie geschenkt bekommen, |5| besonders reizend ist eine kleine Reiseuhr, auf der unter dem Wecker die Anfangstacte von Brahms Wiegenlied stehen – sie kam anonym, ich schreibe sie aber Brahms <>zu. Ist das nicht eine hübsche Idee?
Heute geht es mir nicht ganz so gut, wie gestern – gebe nur der Himmel daß das Leiden nicht den ersten Stärkegrad wieder annehme! –
Leider ist die Postverbindung von hier so |6| mangelhaft, daß Sie erst uebermorgen <>diese Zeilen erhalten können, nach der Hochzeit schreiben wir wieder, dann, will’s Gott, vom Hause.
Und nun Lebewohl Ihnen Beiden! erhalten Sie sich Beide Einander recht in guter Pflege – gehen Sie fleißig spatzieren, es ist die Luft der beste Arzt. Bald hoffe ich, Sie essen nicht mehr den Schinken nur, |7| und der liebe Mann soll ja der Wurst nicht zu viel zusprechen, lieber dem anderen Guten was ihm Ihre liebevolle Fürsorge brut.
Ich möchte noch Manches plaudern, aber, ich werde gemahnt aufzuhören.
Grüße Allen, die freundlich meiner gedenken, und Sie, Liebe, Gute, seyen Sie mit dem theueren Manne aufs wärmste gegrüßt und gedankt von Ihrer
Clara Schumann.
|8| Marie sendet schönsten Gruß – heute wollte sie gern für mich schreiben – ich ließ sie aber nicht, mußte es selbst thuen.
[Umschlag]
Frau
Henriette Volkland.
Basel.
Domhof II Stock.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Büdesheim
  Empfänger: Volkland, Henriette (1640)
  Empfangsort: Basel
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 10
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Theodor Kirchner, Alfred Volkland und anderen Korrespondenten in der Schweiz / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-021-6
269ff.

  Standort/Quelle:*) D-F, s: Autogr. K. Schumann, Nr. 46
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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