23.01.2024

Briefe



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ID: 6987
Geschrieben am: Samstag 30.12.1854
 

Verehrtester Freund,
Recht viel möchte ich Ihnen vom Weihnachtabend schreiben, wie er uns durch Joachims Nachrichten so schön wurde, wie er uns den ganzen Abend von Ihnen erzählte u. Ihre Frau so still weinte. Wir waren ganz erfüllt von der freudigen Hoffnung, Sie auch bald wieder sehen zu können.
Immer schaffen Sie doch die Tage, die uns sonst doppelte Trauertage wären zu hohen Festtagen um. An ihrem Geburttage durfte Ihre Frau Ihnen den ersten Brief schreiben, am |2| Weihnachtabend sprach Sie zuerst der Freund, dem allein wir das Glück gönnen u. uns nur still wünschen, ihm bald folgen zu <können[?]>dürfen.
Am ersten Feiertage bescheerte Ihre Frau. Sie wird Ihnen wohl grade jetzt davon schreiben, auch wie hübsch Marie mit Joachim Ihre a moll Sonate u. Elise die Kinderscenen spielte, auch wie sie mich hoch erfreute durch die sämmtl. Werke Jean Pauls, ich hoffte nicht, sie in vielen Jahren mein Eigen nennen zu können.
Joachim bekam die Partituren Ihrer Sinfonien, mit denen Ihre Frau mich schon früher beschenkt hat.
|3| Den Abend vor Weihnacht kam ich hier wieder an, wie lang schien mir die Trennung von Ihrer Frau! Ich hatte mich so an ihren erhebenden Umgang gewöhnt, ich hatte den ganzen Sommer so herrlich in ihrer Nähe verlebt u. sie so hoch bewundern u. lieben lernen, daß mir Alles kahl schien, daß ich mich nur sehnen konnte, sie wiederzusehen. Wie Schönes brachte ich doch mit aus Hamburg! Von Hrn. Avé die Partitur zu Gluck’s Alceste, (die ital. Ausgabe 1776).
Ihren ersten theuren Brief an mich und manchen von Ihrer geliebten Frau.
Für ein schönes Wort in Ihrem letzten Brief, für das liebevolle „Du“ muß ich Ihnen noch besonders auf das herzlichste |4| danken; auch Ihre so sehr gütige Frau erfreut mich jetzt durch das schöne vertrauliche Wort; es ist mir der höchste Beweis Ihrer Zuneigung, ich will es immer mehr zu verdienen suchen.
Noch Vieles hätte ich Ihnen zu schreiben, geliebtester Freund, doch würde es wohl nur Wiederholung dessen sein, was Ihre Frau Ihnen schreibt; deshalb schließe ich mit dem wärmsten Händedruck u. Gruß.
Ihr
Johannes.
Düsseldorf 30 Dec. 1854.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Robert (1455)
  Empfangsort: Endenich
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
275ff.

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 26/2 Nr. 207
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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