23.01.2024

Briefe



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ID: 6774
Geschrieben am: Samstag 26.12.1835
 

Hochgeehrter Herr Redacteur!
Mit ganz besonderm Interesse las ich in No. 37 (3. Bandes) Ihrer werth¬vollen musikalischen Zeitschrift unter der Ueberschrift: „Etwas über The¬orieen der Musik“ die Beurtheilung der Reicha’schen Compositions-Leh¬re. Es sind unter Anderm daselbst auch (S. 147) die 13 Accorde Reicha’s und zwar als Grundaccorde aufgeführt und ihren die 7 Grundharmonieen G. Weber’s gegenübergestellt worden. Der Herr Rec. meint, daß Reicha die 13 Accorde
[Notenbeispiel]
ebenso als Grundaccorde angesehen wissen will, wie G. Weber seine be¬kannten sieben Grundharmonien. Es geht dieß au<>s folgenden Worten erwähnter Recension hervor: „Man ist verpflichtet, das System vorzuzie¬hen, welches der Natur der Accorde am besten entspricht, und das ist G. Weber’s. Die übermäßige Quinte beim Dreiklange und Septimenaccorde, wie die übermäßigen Harmonieen 11 und 12 sind sind nur zufällige Er¬höhungen“ (Erhöhungen? – Sind nicht beide – im Hauptseptaccorde von G wurzelnd – durch Erniedrigung der Grundquinte [erster außerdem durch Hinzunahme der kl. None] entstanden? Wo ist aber das erhöhte Intervall?) „und eben so wenig Grundharmonieen, wie der hartvermin¬derte Dreiklang, die Un- und Terzdecimen-Accorde bei Koch.“
Nun nimmt aber Reicha nicht dreizehn, sondern nur neun Funda¬mental- oder Grundaccorde an, und stimmt merkwürdiger Weise mit dem Herrn Rec. darinn überein, daß die übermäßige Quinte im Dreiklange und Septimenaccorde und die Harmonieen 4, 11, 12, 13 keine Grundharmo¬nieen sind. Lassen wir Reicha selbst reden: „Die Accorde No. 1, 2, 3, 5, 6, 7, 8, 9 und 10 sind Fundamental- oder Stammaccorde, wovon drei eine Versetzung erleiden, und dadurch die Accorde No. 4, 11, 12 und 13 bilden können, welche wir auch daher versetzte Accorde nennen wollen.“ S. Th. 1. p. 11.).
|2| Unter der Versetzung, welche gewisse Stammaccorde erleiden oder zulassen sollen, versteht Reicha offenbar die zufälligen Erhöhungen oder Erniedrigungen dieses oder jenes Intervalles einzelner Grundharmonien, und seine „versetzten Accorde“ sind darum solche, welche ┌man ┐ – den Wurzel-(Primitiv-)Harmonien gegenüber – am beßten abgeleitete (Deriva¬tiv-)Harmonieen nennen sollte. –
Soviel zur Berichtigung dieser Sache, für die ich mich um deßwillen besonders interessire, weil ich in meiner unlängst erschienenen „Practisch-theoretischen Anweisung für den Unterricht in der Harmonielehre“ von neun Grundharmonieen Reicha’s geredet habe. – Mit Recht verweist übri¬gens der Herr Rec. die beiden Nonenaccorde aus der Zahl der Grundhar¬monieen; denn beiden Harmonieen liegt der Hauptseptaccord zum Grun¬de, und sie nehmen – s. m. Harmonielehre S. 163 u. 173. dessen Wesen und Charakter eben so in sich auf, wie ein Derivativum die etymologische Bedeutung eines Primitiv’s.
Ihnen, hochgeehrter Herr Redacteur, ergebenst anheim stellend, ob Sie diese Zeilen in Ihre musikalische Zeitschrift aufnehmen wollen, unter¬zeichnet sich hochachtungsvoll
Ew Wohlgeboren
ganz ergebenster
FrWSchütze, Seminarlehr[er]
Dresden den 26. Dec. 1835.
|4| Sr Wohlgeboren
dem Herrn R. Schumann,
Redacteur der neuen Zeitschrift für Musik
in
Leipzig.
frei.







  Absender: Schütze, Friedrich Wilhelm (1464)
  Absendeort: Dresden
  Empfänger: Schumann, Robert (1455)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 22
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Dresden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Carlos Lozano Fernandez und Renate Brunner / Dohr / Erschienen: 2021
ISBN: 978-3-86846-032-2
252-254

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 3 Nr. 264
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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