Wohl Ehrwürdiger Herr!
So ein musikalisches Fäntchen wie ich – das von Jugend auf, einen engen Gesichtskreis gewohnt und, wenn es auch von Ongefähr oder durch äußere Anregung die Berge und Höhen seiner Heimat bestieg, um auch einmal frischer und freier athmen zu können und seiner Seele von entfernten erhabenen Bildern Eindrücke zu verschaffen, am Ende doch wieder in sein beengendes Thal, von der Thüringer Waldfrau dem Heimweh zurückgetrieben – so ein Orgelpunct ** Organistadjunct. Anecdota aus dem Leben. Kommt neulich, nach Beendigung eines Nachspiels – in Manier meines der Welt bekannten mittelbaren Lehrers Organist Vierling zu Schmalkalden, der manchmal scherzend sagte: man muß den Leuten auch zu weilen etwas Lustiges vorspielen, das hören sie gern. – mein Balgtreter freundlich auf mich zu und spricht: „das ging ja recht schöne! – der alte Herr machte manchmal auch so ein Gedrudele“. –, wie ich, jugendlich lustig (besonders in Beziehung meines Gehalts) und wie Immergrün, der nebenbei eine bedeutende Praxis in der musikalischen Chirurgie erlangt und durch mehrere unbedeutende Fälle von Fingersteifen und Uebelhörenden in den Ruf gekommen ich sage: so ein Mensch wie ich; dem die alte gute liebe Zeit der Haarzöpfler und Perückenkünstler anklebt, müßte, sich den Staub abzuschütteln, hinaus und streben musikalisch männlicher zu werden.
|2| In allem Ernste war es meine Absicht kommenden Winter in Leipzig zu verleben, mir das dortige Leben und Weben in musikalischer Hinsicht und die alten Bachianer kennen zu lernen und mich im Geiste derselben zu bekräftigen, zu vervollkommnen. Allein die Trüben der Welt und meine lustigen 45 Rthr alljährliches Organisten-Gehalt halten mich ein wenig zurück. Ihre freundlichen Bemühungen sind zu bekannt, als daß ich es nicht wagen dürfte, Sie um Aufschluß zu bitten; wie viel zu einem halbjährigen, dortigen Aufenthalt anständiger- und ökonomischer weise nöthig sey? Anbei zur gütigen Einsicht, ein Versuch, des in Ihrer Zeitschr. bemerkten Preisliedes. Sollten Sie etwas Preiswürdiges daran finden, so bitte ich es dem Verein zu Mannheim zusenden zu wollen. Für den höchsten Preis ist es nicht gemacht, obschon die mächtig lange Einleitung hierzu Vermuthung geben könnte. Vielleicht für den 2ten, da sich die 5 Notenfigur im Laufe des Stückes sehr brüstet. Auch nicht. Nun meinetwegen für gar nichts. Es sagte Jemand: „Die Compositionen für Geld, von denen man den Preis schon im Voraus weis gerathen manchmal nicht gut.[“] – Noch Eins. Wer ist den eigentlich das interessante Geistergespann (resp. Collegen eines höheren Alphabet’s) Florestan u Eusebius? Sie kommen mir vor wie Vergangenheit und Zukunft, welche von Zeit zu Zeit der Gegenwart einen freundlichen Besuch abstatten, sich daselbst einmal einen guten Tag machen und ihre Herzensangelegenheiten einander mittheilen. Ich möchte es gerne wissen; da sie mir neulich, in einem für mich sehr betrübenden Falle, durch ihre fis-moll-Sonate und namentlich durch die ersten 2 Sätze, Trost und Beruhigung zugesprochen. –
Von unserm hiesigen Musikleben kann ich Ihnen eben nichts Frisches und Tiefathmendes mittheilen. Während durch Spohr’s Reise der hiesige Cäcilienverein Ferien hatte, tändelte die Singaccademie in |3| Abwesenheit ihres Directors, Musiklehrer Wiegand, und hingt [sic] gegenwärtig nach, in Folge einer Waldparthie und der hier stattfindenden Messe. Die Liedertafel beschränkt ihre Thätigkeit auf Stücke zu Nachtständchen, und mit Einübung von Trinkliedern, <welche> und findet in letzteren gleichsam im Vorgenuße eine Lieblingsbeschäftigung <finden>. Vor einiger Zeit schien dieselbe trotz dem nicht zu Stande gekommenen Musikfeste auf eigene Faust eins feiern zu wollen. Sie vereinigte sich nämlich mit einem Männergesangverein aus dem nahe gelegenen Städchen Witzenhausen, am Zusammenfluß der Fulda u Werra zu Münden. Es wurden Lieder von Cherubini, Weber, Marschner, Kreutzer u. a. gesungen. Der Zweck aber war, sich durch Gesang zu befreunden, sich kennen zu lernen und den Grund zu einem demnächstigen Liederfeste zu legen.
Am 20t August zur Geburtstagsfeier Sr. Hoheit des Kurprinzen zum erstenmal. Die Ballnacht. Sonnabend den 26d. Romeo u Julie. Romeo: Demoiselle Löwe vom Leipziger Stadttheater als Gast.
Donnerstag d 31t Der Templer u die Jüdin. Rebecca, Demoiselle Löwe.
Donnerstag den 7ten September. Norma. Norma, Demoiselle Löwe, letzte Gastrolle.
Ueberzeugt, in Absicht meiner Darstellungsweise nicht mißverstanden worden zu seyn, empfiehlt sich mit aller Unterwürfigkeit Ew. priesterlichen Hochwürden
gefälliger
Adjunct J. N. Endter
Cassel am 6ten September 1837.
|4| Sr. Wohlgeboren Herrn
R. Schumann Redacteur der neuen Zeitschrift für Musik.
Leipzig.
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