d. 16ten May 838
Werther Freund!
Ich schrieb neulich, daß ich schwerlich Haslinger sehen werde, das ist nun geschehen, er erhielt noch dazu einen Brief v. Ihnen, u. auf meine dießfällige Ausrichtung Ihres Auftrages hat er, obwohl jezt mit Arbeiten überhaupt, die Acquisition der Kreisleriana beschloßen, worüber er Ihnen selbst schreiben wird. – Die Perfidie des B. Lannoy werden Sie wohl schon gelesen haben, Liszt versicherte mich, daß sein Einfluß noch vieles Starke gegen Clara, Sie u. mich streichen half; die Belobg Ihrer Compositionen ist ganz sein Werk etc. Liszt wollte, dß ich dagegen schriebe, aber prosit die Mahlzeit, so einem Coup d’arc weicht der Verständige aus, u. ich begnüge mich bloß mit den v. Ihnen zu erwartenden Zeilen, worin Sie die absichtliche Trennung des 1ten Aufsatz v. den kurzen Strichen rügen, u. die Böswilligkt ruhig u. männlich aufdecken können. Diese Affaire hat mich sehr geschmerzt und mir gewissermassen die Schreibereyen verleidet, L. u. Consorten schelten mich arrogant und ins Blaue redend, ist es denn wirklich so? Liszt hätte, als pfiffiger Franzose, gerne gesehen, daß mir Balgerey entstanden wäre, dabey hätte er nur gewonnen. Wie es scheint, gieng doch der Impuls v. ihm zuerst aus, da er höchst absprechend v. Allen spricht, Chopin und Sie ausgenommen. Auch auf Clara ist er bös, weil sie durch ihr eigens <zu> Thalberg’s wegen veranstaltetes Zurückkommen Thalberg nicht wenig schmeichelte. Uibrigens nehme ich kein Wort meines Urtheiles zurück, welches ich jezt noch eben so fühle, als früher. Schicken Sie doch, im Falle Sie ihn nicht brauchen, meinen Aufsatz an Gross nach Hamburg, der mich um Beiträge ersuchte. Gelegenheit haben Sie jezt leicht. Auch das Orgelwerk v. Becker herausgegeb. (Friese) bitte ich durch Doppler od. Mechetti gütigst zu besorgen.
Unveränderlich mit wärmster Freundschaft
Fischhof
Liszt’s 5tes Concert war nur die Fortsetzung jener staunenswerthen Leistungen, die sein Auftreten zu wahren Triumphen gestaltete. Beethov. Cism Sonate spielt er wunderherrlich, das Scherzo ganz merkwürdig schön. In den Solis (ich detaillirte Sie [sic] Ihnen neulich) erregte Kessler’s 8ven Etude allgemeines Staunen, am meisten entzückten mich Vortrag u. Auffaßg v. Scarlattis Katzenfuge, die er in sehr gemäßigten Tempo nimmt, während er die bekannte in Hummel’s Klavierschule auch als Beyspiel angeführte v. Händel in Emoll ungewöhnlich schnell spielt. Kessler verdiente hier viel bekannter zu werden, seine Etuden sind in Paris im Conservat. eingeführt. Als Schluß auf Verlangen das Hexameron mit selben Erfolge wie früher. Ausgezeichnet war auch die Begleitung zu Schubert’s Forelle, was er aus selber für ein Bild macht, ist gar nicht, ohne ihn gehört zu haben, möglich begreiflich zu machen, daß er die beliebte Figur oft bedeutend verdoppelt u. doch mit selber Leichtigkt als wäre sie einfach, vorträgt, ist nur ein Kleinigkt für ihn. Die Forelle mußte auch wiederhohlt werden. 34.
_____
Im Sommer wird wohl wenig zu referiren seyn, daher ich mein Tagebuch zusammenziehen u. mehre Monate zugleich abschicken werde. –
|2| Herrn Robert Schumann
Redacteur der neuen Musick. Zeitung
Leipzig