Leipzig den 5ten August 1838.
Mein theurer Freund,
Eben empfing ich Ihren freundlichen Brief, als ich mich zum Schreiben an Sie niedersetzen wollte, und zwar in einer für mich sehr wichtigen Angelegenheit, in der ich den Rath eines Freundes bedarf, als den ich Sie jetzt kennen gelernt. Erschrecken Sie also nicht, wenn schon in acht Wochen Jemand an Ihre Thüre klopft, mein Doppelgänger, Ich selbst nähmlich, noch mehr: wenn er Ihnen sagt, dß er die nächsten Jahre wahrscheinlich für immer in Wien zubringt. Alles dieses theile ich Ihnen aber im innigsten Vertrauen mit und mit der Bitte, gegen Jedermann (namentlich gegen wen aus Leipzig) davon noch still zu schweigen. Die Gründe, die mich nach Wien bringen, sind im Grunde freundlicher Art; eigene Verhältniße sind es, die mir gebieten, meinen Aufenthalt in einer größeren Stadt als Leipzig aufzuschlagen. Mündlich hierüber mehr, was ich dem Papier nicht anvertrauen mag. Es ist entschieden, dß ich spätestens Mitte October in Wien sein muß. Und die Zeitung? werden Sie sagen, die laß’ ich natürlich nicht; während der drei Monate October bis December wird sie von Oswald Lorenz besorgt; und vom Januar an soll sie in Wien gedruckt werden. Und da brauch’ ich denn Ihre gütige Hand. Natürlich bedarf die Zeitung der Concession, die wohl das dortige Censuramt unter Graf Sedlnytzky zu ertheilen hat. Daß man keine großen Schwierigkeiten machen wird, da es ja ein reines Kunstblatt, das seit seinem Erscheinen in den Oesterreichischen Staaten vertrieben worden ist, bin ich beinahe überzeugt. Doch kenn’ ich die Vorsicht der dortigen Behörden und den langsamen Gang in ähnlichen Verhandlungen vom Hörensagen, so daß ich schon jetzt wirken, d. h. sobald als möglich mein Gesuch um ein Privilegium für das Erscheinen der Zeitschrift in Wien einreichen möchte, damit die erste Nummer des künftigen Bandes |2| schon Mitte December von Wien aus verschickt werden kann. Völlig unbekannt mit den dortigen Gesetzen und Formen, in denen so ein Gesuch gestellt sein muß, bitte ich Sie nun dem armen Künstler, der sonst nie etwas mit Polizei und Censur zu schaffen gehabt, gütigst beistehen zu wollen. Ich werde Ihnen◊2 nie vergeßen, was Sie in dieser Sache für mich thun.
So bäte ich Sie denn, daß Sie Sich bei einem Rechtsgelehrten dort erkundigten, unter welcher Adresse, in welcher Form ein solches Gesuch abgeschickt und abgefaßt werden muß. Vielleicht könnten Sie von selbem gleich eines nach <folgen> dem Schema abfaßen laßen, das ich auf der andern Seite geschrieben, und mir dann zuschicken, wo ich es dann in’s Reine schreiben ließe und vielleicht durch unsern Gesandten den Fürsten Schönburg, an den ich empfohlen bin, an den Graf Sedlnytzky befördern würde.
Sodann, wißen Sie, ob die dortige Behörde Ausweise über mein früheres Leben, über Vermögensumstände (es ist Alles in bester Ordnung) pp pp verlangt, und soll ich diese gleich in <m> Gesuch mit vorbringen?
Endlich wen schlagen Sie Friesen als Comissionair vor. Wir haben uns bereits an Haslinger u. Diabelli gewandt, aber nicht die Antwort erhalten, wie wir sie gewünscht hätten. Und überhaupt wäre mir ein Buchhändler lieber, da ich dann nichts von etwaigen Eingriffen der Verleger zu befürchten habe. Friese bleibt nähmlich nach wie vor Verleger (ich bin Eigenthümer); der Umzug ist ihm sogar lieb, da er dabei nur gewinnen kann. Auf die Zeitschrift käme somit die Firma einer Wiener Handlung u. die von Friese.
Sollte ich Ihnen übrigens sagen, wie Manches Schöne ich mir von der Zukunft erwarte, wie die Zeitschrift dadurch großartiger, einflußreicher werden, eine Vermittlung zwischen Nord u. Süden herstellen soll, so |3| müßte ich neue Bogen anfangen, nähmlich herunterschreiben. Sie sind der Einzige, den ich in Wien habe, den ich als so verständig wie tüchtig und bescheiden kennen gelernt. Werden Sie Sich auch in mir nicht täuschen? Werden Sie mir freundlich gesinnt bleiben? Hoffen Sie nicht manches Schöne von der Zukunft, die uns gewiß nicht trügen wird?
So schließ ich denn mehr als je erregt und mit dankbarstem Herzen. Nehmen Sie Sich meiner an; mein Lebensglück hängt mit daran; ich bin nicht mehr allein. Dies Alles für Sie allein.
Heute haben wir den 5ten; am 11ten ist der Brief in Ihren Händen; bis zum 19ten wären Sie vielleicht im Reinen und den 24sten könnte ich eine Antwort haben. Mit Verlangen seh’ ich ihr entgegen. Ihr
Schumann.
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Gesuch, woraus nun der gehörige juristische Brey zu machen:
Der Unterzeichnete, Sachse von Geburt, in Leipzig wohnhaft Tonkünstler <und>, Redacteur und Eigenthümer der neuen Zeitschrift für Musik, wünscht seiner Liebe zur Kunst , wie seiner geschäftlichen Verbindungen halber seinen bisherigen Wohnort Leipzig mit Wien zu vertauschen. Die Zeitschrift die nie andere als musikalische Interessen berührt hat, ist seit ihrem Entstehen (1834) in der Monarchie von höchster Behörde erlaubt, und vielfach gelesen. Er sucht um die Erlaubniß nach, daß sie vom 1sten Januar 1839 (oder vom 10ten Band an) in Wien <gedruckt u.> erscheinen dürfe. Ueber seine sonstigen Verhältniße wird er alle erforderlichen Ausweise beibringen. Geschäfte halten ihn ab, eher als bis Mitte October selbst nach Wien kommen zu können, daher er schon jetzt sein Gesuch schriftlich einreicht und um Berücksichtigung bittet.
(Dies alles mit der gehörigen Gehorsamkeit)
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Componiren kann ich beßer, he? – Nun nochmals Dank für Ihren lieben Brief. Vom Tagebuch hätte ich gern die Fortsetzung. Ihre Briefe hab ich sämmtlich richtig empfangen. Die Berichte über Liszt waren mir zu alt worden, und im Anfang, da ich sie empfing, war nicht gleich Platz zum Einrücken. Was ist denn das police musicale? Wegen der Lieder müßen Sie einige Nachsicht mit uns haben; es liegen immer wenigstens gegen neunzig Hefte zum Rezensiren da, <die wir gemeinsam[?]> so viel Lorenz auch abmacht. Bald sehen wir uns. Ich rauche viel Cigarren u. sehe ziemlich roth. Wie viel kostet ein anständig Logis für ein Jahr? Womöglich eine Treppe? 100 bis 120 Thaler? Bitte, stehen Sie dem Fremdling bei!
Adieu.
|4| Empfohlen.
Sr. Wohlgeboren
Herrn Joseph Fischhof,
Professor am Conservatoir der Musik
in
Wien.
Haar Markt 729.
frei.