Verehrteste Frau,
Ihr schöner Brief hat mich im Herzen erquickt. Das waren die rechten Worte, Einen zu trösten, der in einer tödtlichen Angst oft die Winde ringen möchte. Was soll ich Ihnen vorklagen von gescheiterten Plänen, von verschuldeten und unverschuldeten Schmerzen, von Jugendleiden, wie sie wohl Jeden treffen – hab' ich doch auch meine herrlichen Stunden, am Clavier, im Ideenaustausch mit trefflichen Menschen, im Bewußtsein eines ehrenvollen Wirkungskreises und in der Hoffnung, noch mehr und Größeres zu fördern. Eben diese erhöhte Geistesstimmung artet aber oft in Uebermuth aus, wo ich ordentlich gleich die ganze Welt mit Sturm nehmen möchte. Die Abspannung folgt auf dem Faße nach und dann die künstlichen Mittel, sich wieder aufzuhelfen. Das rechte Mittel, solche gefährliche Extreme zu versöhnen, kenne ich wohl: eine liebende Frau könnte es. Hier aber lassen Sie mich mit meinem Kummer allein und mich über die wunderbaren Verflechtungen schweigen, deren glückliche Lösung ich von meinem guten Geist, wenn auch noch nicht erwarte, aber täglich erflehe. Es muß ein tieferes Vertrauen sein, das ich gerade zu Ihnen hege; von Natur etwas scheu, erinnere ich mich nie, gegen Jemanden, dessen Liebe ich mir erst noch verdienen muß, so offen und ruhig gesprochen zu haben. Einstweilen rechnen Sie auf mich, als auf
Ihren Ihnen innig verbundenen
R. S.
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