Mailand, am 4ten October 1829.
Da ich in Venedig vergessen hatte, meinen Brief an Dich zu frankiren, so befürcht’ ich, Du habest ihn nicht erhalten, mein gel. Rosen! Im Grunde wär’ es mir lieb, da er in einem etwas mißmüthigen Ton abgefaßt war, dem Vieles zum Grund lag, was ich nicht wiederholen will. Ich komme mir seit einigen Wochen (vielmehr immer) so arm, u. so reich, so matt u. so kräftig, so abgelebt u. so lebensmuthig vor, dß ich nie Lust hatte, zu schreiben. Es wird Dir lieb seyn, des Porto’s wegen.
Auch heute ist es mir kaum möglich, die Feder länger, als 4 Minuten zu halten; drum in aller Kürze dieses:
In Venedig war ich krank, es war eine Art Seekrankheit mit Erbrechen, Kopfschmerzen, Diarrhöe pp. – ein lebendiger Tod – die verdammte Erinnerung an Cypressen in Mailand wollte mir schwer aus dem Kopfe – ein Arzt nahm mir einen Louisdor ab, ein Schuft von Kaufmann beschwindelte mich um einen halben – die Kasse bestand noch aus 2 Napol – nach kurzer Ueberlegung den Beschluß gefaßt, nach Mailand zurückzukehren –
Beschreiben will ich Dir überhaupt Nichts, da es mir mündlich meist besser gelingt, wenn überhaupt. – Ende October komm’ ich wieder.
Sag’ im Augenblik das Logis auf, direct od. indirect, wenn Du m. Brief mit dem an den Panzer nicht solltest empfangen haben. Miethe, was Du für eines wollst, nur ein ähnliches, stilles nicht. Thu es mir zu Liebe, Rosen!
Das ist Alles. Lebewohl.
Robert Schumann
|2| à Monsieur
Monsieur Gisbert Rosen
pr. addr. Mr. Panzer am Neckar
Heidelberg
am Bade.
fr.
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