23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 4242
Geschrieben am: Dienstag 09.02.1841
 

Dresden, Amalienstrasse No. 8.
Am 9. Febr. 1841.
Verehrtester Herr Doctor!
Was werden Sie von mir denken, wenn Sie diese, nicht einmal von musi¬kalischen Gedanken oder Nachrichten begleiteten Zeilen werden gelesen haben? Ich gestehe, daß mir bei dieser Vorstellung etwas bänglich zu Mu¬the wird; denn was gehen meine Unglücksfälle, Beschwerden über das Schicksal und Bitten Ew. Wohlgeb. an? Dennoch weiß ich mich nicht zu beruhigen, bis ich nicht erprobt habe, ob ein gutes Wort bei Ihrer Güte eine gute Statt finde. Es haben nämlich zusammentreffende Unfälle ver¬schiedener und nicht allein literarischer Art, sondern auch besonders ver-wandschaftlicher Verhältnisse – wegen deren ich im härtesten Winter eine längere Reise unternehmen mußte und dennoch fast vergeblich gethan habe – mich in eine augenblickliche so bedrängende Verlegenheit ge¬bracht, daß ich – wovon mich sonst die schuldige Bescheidenheit gänzlich abhalten würde – zu der Bitte mich genöthigt fühle: ob Sie nicht einen Theil desjenigen, was seit der erstern (im July oder August geschehenen) |2| gütigen Honorirung mir wieder zukommt, einmal ausnahmsweise ausser dem Termine, den Sie Sich gesetzt (ich weiß nicht, welcher dieß sey, – vielleicht Ostermesse?) mir zu kommenlassen wollten. Ich gebe gern zu, daß sich dieß zu erwarten nicht gebührt; aber eine Bitte ist ja wohl erlaubt, und jedenfalls bin ich mir selbst schuldig, einen solchen Versuch, einen solchen wohlgemeinten Sturm auf Ihre Gewohnheit zu wagen. Wä¬ren Ew. Wohlgb. nun dazu wirklich geneigt, und wollten etwa wieder, wie das erstere mal Herrn Friese an mich weisen, so würde ich bitten: Sie veranlaßten ihn, sich nicht etwa wieder einer unsichern Vermittelung zu bedienen, sondern mir auf meine Kosten das Geld bar zu senden; oder es würde auch wohl Herr Meser einer Anweisung sogleich nachkommen. Eine unsichere aber dient zu nichts, als die Postregie zu bereichern, und mich theils, wie es das erstere Mal geschah, höhnisch angelacht zu sehen, theils unnöthigerweise der Zeit zu berauben.
Ich wiederhole noch, daß ich nur von einem Theile des Betrages re[de] und jedenfalls die Erfüllung meines, durch nicht vorhergesehe¬ne Umstände mir abgenöthigten Verlangens Ihnen ganz besondern Dank wissen würde. – In der musikalischen Welt ist hier etwas Wichtiges, auch selbst während meiner schon erwähnten Abwesenheit, nicht vorgekommen. Für den Fleiß bei der Oper |3| aber ist die „freundschaftliche Be¬sprechung“, die vor einiger Zeit die Schröder-Devrient hinter den Cou¬lissen mit der Marx gehabt, und wobei es an „jungen Rotznasen“ u. a. dergl. „freundschaftlichen“ Ausdrücken nicht gefehlt hat, die freilich nicht in eine Buchdruckerei dringen dürfen, von grossem Nutzen gewesen; die Devrient ist auf einmal wie ein Ohrwürmchen geworden, und manche Woche sieht 3 grosse Opern im Repertoire. Vorgestern zeigte sich zum erstenmale die anderwärts nun schon etwas bejahrte Lucrezia Borgia, welche man Donizetti’s dramatischeste Musik nennen will; ist aber doch herzlich-leichte Waare! Jetzt ist die Eröffnung des neuen Theaters auf den 5. März angesetzt; videbimus! Es heißt, Lipinski wolle noch 2 Quar¬tett-Concerte geben. Ja, wenn sie nur nicht so theuer wären! 1 rh., das ist doch nur in Petersburg und London passend, aber nicht in Dresden. Seinen 6 Abonnementsconcerten giebt Hartung noch 2 mit doppelt-starkem Orchester im Hôtel de Pologne zu, und will dabei die Schuber¬tische Symphonie wiederholen und die Eroika vornehmen: mir, nebst den Mozartischen in C# und Gb, von allen die liebste. Vorgestern war die Reissiger’sche Missa canonica in Dmoll; man verliebt sich mit jedem Male mehr in diesselbe! In der Dreyssig’schen Akademie wurde vor 14 Tagen das Weltgericht ziemlich gut ausgeführt
Und hiermit Gott befohlen! In der Hoffnung, daß Sie mir meine Bitte nicht ungütig nehmen werden, verbleibe ich, wie immer
Ewr. Wohlgeb. ganz ergebenster Diener
Albert Schiffner.


  Absender: Schiffner, Christian Albert (1340)
  Absendeort: Dresden
  Empfänger: Schumann, Robert (1455)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 22
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Dresden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Carlos Lozano Fernandez und Renate Brunner / Dohr / Erschienen: 2021
ISBN: 978-3-86846-032-2
475-478

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 11 Nr. 1810
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.