Lieber Freund,
Herzlich leid hat es mir gethan, daß wir uns bei meiner letzten Anwesenheit in Leipzig verfehlt. So manches, namentlich über Wiener Musikzustände, hätte ich Ihnen mitzutheilen gewünscht. Nun bin ich hier, im schnellsten Wechsel vom Süden nach dem Norden versetzt – und auch über hier, die hiesigen Zustände, die doch im Ganzen noch besser, ließe sich viel schreiben. In der Unruhe dieser Tage aber etwas festzuhalten, wird mir schwer gelingen; darum nur ein paar Worte über die Aufführung der Peri. Sie war eine übereilte; auch wollte ich mich von der Selber-Direction zurückziehen, that es aber, um nicht noch mehr Verwirrung anzurichten, dennoch nicht. Einige der Chöre gingen vortrefflich, das Orchester hielt sich leidlich – aber die Solopartien! namentlich Peri und der Tenor! In solcher Stadt, gegen Eintrittspreise dem Publikum so mangelhafte Leistungen zu bieten! Die Schuld lag aber an den Launen zweier Theaterkünstler, der Tuczek und des Hrn. Kraus, die zwei Tage vor der Aufführung plötzlich absagten – perfider Weise – so daß die Tenor- und Sopranpartie von zwei Dilettanten übernommen werden mußten. Kaum die Noten trafen sie – von Anderem gar nicht zu reden. So hat denn die Composition auf viele Einzelne wohl gewirkt – die Romantik, der orientalische Charakter war nicht ganz zu zerstören; im Ganzen ist sie aber nicht in ihrer Totalwirkung verstanden worden. Sie haben nun, wie ich höre in L. Gelegenheit, die Peri zu hören – und da wollte ich Sie nur recht bitten, der lieblichen Fee Ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Es hängt Herzblut an dieser Arbeit. Namentlich zwei Vorwürfen, die ihr hier gemacht werden – der Mangel an Recitativen, und die fortlaufende Aneinanderreihung der Musikstücke –, die mir gerade Vorzüge der Arbeit, ein wahrer formeller Fortschritt zu sein scheinen – wünscht’ ich, daß Sie sie in’s Auge faßten. Rellstab, der Philister par excellence, hat sie (die Vorwürfe) gemacht, im Übrigen manches gut gefunden. Die wohlwollende, gründliche und sorgsame Beurtheilung des Concertes in A moll hat mir Freude gemacht. War sie nicht von D[örffe]l? Es sieht ihm ganz ähnlich. Gestern Abend im Theater stieß ich auf einmal plötzlich an – Berlioz! Er reist schon heute weiter, nach St. Petersburg, um da von sich aufzuführen. Nun leben Sie wohl, lieber Brendel, grüßen Sie Ihre Frau (auch von der meinigen) und die sonstigen lieben Leipziger Bekannten. Den 1sten März geben wir hier Concert, gehen von da nach Breslau und dann nach Dresden zurück, später in’s Seebad. Auf baldiges glückliches Wiedersehen
der Ihrige
R. Sch.
Berlin, den 20. Februar 1847.
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