23.01.2024

Briefe



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ID: 3445
Geschrieben am: Samstag 18.10.1851
 

Leipzig, 18. October 51.
Verehrter Mann!
So naht sich Ihnen denn zum dritten Male des Sängers Fluch – und hofft diesmal mehr auf Ihren Beifall, als die beiden ersten Male. Wegen der Verzögerung der Arbeit habe ich mich gebührend zu entschuldigen. Leider haben Berufsarbeiten der langweiligsten Art (namentlich eine Abhandlung über „Dampfkessel-Explosionen!“) mich 6 Wochen verhindert, an meine liebste Erholung zu gehen, für Sie zu arbeiten. Und abermals leider wird dadurch die Arbeit nun verloren haben. Denn da es mir nicht möglich war, unmittelbar nach meiner Rückkehr aus Düsseldorf – welchen Aufenthalt ich, durch Ihre freundliche und schätzbare Aufnahme, zu den schönsten Stunden meines Lebens rechne – an die Dichtung zu gehen, so ist mir wohl mancher feine Wink verloren gegangen, den ich damals von Ihnen erhielt, wie es mir überhaupt schwer wurde, mich auf’s Neue in das Gedicht hinein zu denken. Der Hauptsache nach bin ich aber „genau nach Vorschrift“ verfahren u. glaube wenigstens nichts Wesentliches übersehen zu haben. Da überdies die Auswahl der Gesänge mit Ihnen vereint vorgenommen ward, so glaube ich, im Großen u. Ganzen Sie diesmal zufrieden gestellt zu haben. Durch die von Ihnen verlangten Zwischenreden u. Chöre hat allerdings das Ganze an Dramatischem Leben gewonnen u. ist beinahe zur Oper geworden – es hat auch zugenommen an Ausdehnung. Ob diese in dem Maße Ihnen willkommen sein wird – muß ich ruhig erwarten.
Zugleich aber bitte ich Sie – hoffend, daß Sie mich nicht mißverstehen werden, und unbeschadet meines Eifers, Ihnen auch ferner zu dienen – daß Sie die kleinen Aenderungen die Sie noch vornehmen wollen – u. welche hauptsächlich wohl im Streichen u. Kürzen, u. Aendern einiger harter oder trivialer Worte u. Wendungen bestehen dürfte – diesmal selbst vorzunehmen. Es ist mir unmöglich, wegen meiner höchst beschränkten Zeit, das Gedicht nochmals umzuarbeiten – da bis jetzt diese dreifache Bearbeitung mir [sic!] circa ½ Monat gekostet hat – ungefähr soviel, als Sie zu der ganzen Composition brauchen dürften. –
Nicht verminderter Eifer, sondern lediglich Mangel an Zeit läßt mich diese Bitte an Sie thun – u. ich hoffe auch, daß Sie nur wenig zu ändern haben werden. Damit verbinde ich zugleich die Bitte, mir zunächst recht baldige Nachricht zu geben, wie Sie mit der Arbeit zufrieden sind, ferner, mir später mitzutheilen, wann die Composition fertig u. das Einstudiren soweit gediehen ist, daß die Instrumentalproben beginnen.
Ich werde dann jedenfalls kommen, um den letzten Proben u. der Aufführung beizuwohnen, natürlich mit Ihrer Erlaubniß! – Meine Braut aber, mit der Harfe, wird nur dann kommen, wenn Sie derselben bedürfen, und das Verlangen mir bestimmt aussprechen, daß sie in dem Conzerte mitwirken, die Aufführung von Sängers Fluch, wenn nöthig, unterstützen, und vielleicht noch ein Solo spielen, und Ihre Hebräischen Lieder, etc. begleiten soll. Auch muß ich dabei bemerken, daß ich Sie bitte, dann darauf Rücksicht zu nehmen, daß das Conzert nicht zu spät, u. keines Falls weit über Neujahr hinausgeschoben wird. Meine Braut kommt in 8 Tagen schon hierher, u. bleibt höchstens bis Anfang Januar – also bitte ich, bis dahin womöglich das Conzert zu arrangiren, wenn Sie ihrer bedürfen. Wenn nicht – so komme ich doch, wann u. wie es sei – um den doppelten Genuß zu haben, einem Ihrer Conzerte u. der ersten Aufführung der Composition beiwohnen zu können, die mir besonders nahe steht. Mit dem Luther lassen Sie mir wohl bis Frühjahr Zeit. Es ist mir unmöglich, ihn diesen Winter zu bearbeiten und ich bitte Sie, nur den Termin ungefähr anzugeben , wenn Sie mit d. Composition beginnen wollen – je weiter er in das nächste Jahr hinausgeschoben wird, desto lieber ist es mir. Vor Ostern werde ich schwerlich viel daran thun können – doch spreche ich über d. Plan zuvor noch mit Ihnen, sobald ich zum Conzert nach Düsseldorf komme. Wegen des Textes zu Sängers Fluch noch einige geschäftliche Fragen, die ich mit meiner Unkenntniß des ganzen Geschäftswesens zu entschuldigen bitte. Da es nämlich, wenn dieser Text erst componirt und in Druck erschienen ist (worüber freilich noch manche Woche vergehen wird) bei bevorstehenden zahlreichen Aufführungen der Composition durch Singvereine, etc. – doch unbedingt nöthig wird, daß der Text besonders gedruckt wird – was ziemlich einen Druckbogen geben kann – so habe ich im Voraus Ihnen die Bitte an’s Herz zu legen, mir die Redaction u. Correctur meines Textes zu überlassen, und das dem Verleger im Voraus zu bemerken. Ich habe nämlich einige Bemerkungen u. einige Worte der Einleitung zu dieser Arbeit abgefaßt, – die ich bei dieser Gelegenheit mit anbringen werde. Da doch der Verleger der Musik jedenfalls auch das Verlagsrecht des Textes erhält u. derselbe gesetzmäßig nur durch ihn zu beziehen sein wird – so liegt mir daran, daß der Text mit Sorgfalt herausgegeben, und mit wenigen begleitenden Worten versehen wird. – Könnten Sie außerdem vielleicht noch ausmachen, daß bei dem Verkauf der Texte mir eine Tantième zufiele, so wäre das mehr, als ich erwarten kann. Jedenfalls liegt mir hauptsächlich daran, den Text selbst redigiren zu dürfen, im Fall mein Name noch darauf stehen soll, wie Sie in Düsseldorf bemerkten. Halten Sie das für unnöthig, so fällt auch meine Redaction weg. – Diese Fragen, die ich mir gelegentlich zu beantworten bitte, gelten auch für Luther im Voraus – der sich freilich noch im embryonalen Zustande befindet. Doch, ein guter Vater sorgt für sein Kind, wenn es auch noch nicht geboren ist. –
Ich bitte Sie um gelegentliche Antwort – und um gütige Nachsicht gegen meine vielen Fragen. Nochmals den wärmsten, aufrichtigsten Dank für Ihre Aufnahme in Düsseldorf. Mit der Hoffnung, Sie recht bald in Düsseldorf wiedersehen zu dürfen u. d. Bitte, mich Ihrer verehrten Gemahlin ehrerbietigst zu empfehlen
unwandelbar Ihr tiefergebener
Richard Pohl

Ich füge noch einige meiner Lieder bei; zwei nach Ihrem Wunsch geänderte, und zwei neue. –
Mögten Sie Gnade vor Ihren Augen finden, und besonders die beiden ersten, in neuen Gewande, beim Hochzeitsreigen Ihrer Muse, u. von Ihren Tönen getragen, zum Parnassus emporschweben! –
Der Ihrige
R. P.

  Absender: Pohl, Richard (1194)
  Absendeort: Leipzig
  Empfänger: Schumann, Robert (1455)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 5
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Franz Brendel, Hermann Levi, Franz Liszt, Richard Pohl und Richard Wagner / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik, Axel Schröter und Klaus Döge / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2014
ISBN: 978-3-86846-016-2
382-385

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 26/1 Nr. 4299
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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