23.01.2024

Briefe



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ID: 3054
Geschrieben am: Donnerstag 02.06.1853
 

Die Tage, die ich letzthin [sic] in Ihrer Nähe verbracht habe, sind für mich von zu grosser Bedeutung, als dass ich nicht wünschen müsste, sie Ihnen ein wenig im Gedächtniss zu erhalten. Die Partitur des Beethoven’schen Violin-Concertes, welche Sie zu besitzen wünschten, und die ich mir erlaube Ihnen mit diesen Zeilen zu übersenden, biethet mir dazu hülfreiche Gelegenheit. Möchte doch Beethoven’s Beispiel <,> Sie anregen, den armen Violinspielern, denen es, ausser der Kammermusik, so sehr an Erhebendem für ihr Instrument fehlt, aus Ihrem tiefen Schacht ein Werk an’s Licht zu ziehen, wunderbarer Hüter reichster Schätze!
Die Ouverture zu Hamlet, welche dem Concert beiliegt, das im schlimmsten Fall als Gegengift fungiren soll, ist von meiner Composition; ich zage bei der Übersendung, denn es ist das erstemal, dass Sie von mir ein Werk zu Gesicht bekommen. Vor einer Woche hörte ich dasselbe in Weimar; die Klänge waren an den meisten Stellen so, wie mein inneres Ohr sie vernommen hatte; es drängte sich mir aber dennoch die Nothwendigkeit auf, einige formelle Aenderungen vorzunehmen: an mehreren Stellen, glaube ich, bricht nach langen Steigerungen, das Forte zu kurz ab, ohne genügende Befriedigung für den Musik-Sinn. Einige Bemerkungen von Ihnen, verehrter Meister, könnten für mich und mein Weiterstreben von hoher Wichtigkeit sein; ich will Sie nicht darum bitten, denn Sie haben am Ende Verpflichtungen, gegen die der Einzelne willig nachstehen muss; aber wenigstens möchte ich Ihnen sagen, dass es mich beglücken würde, wenn Sie einige Minuten einmal für mich und meine Ouverture übrig behielten! Ich reise morgen nach Göttingen, wo ich einige Monate bleiben werde.- Die Düsseldorfer Tage werden lange in mir wirksam sein; nicht dass man so überdankbar meine Leistungen aufnahm, hat mich so sehr erfrischt-es hat mir noch viel mehr wohlgethan in Ihrer Umgebung eine Schaar von künstlerischen Genossen zu treffen, mit denen ich hoffen darf, recht lange einen Weg zu verfolgen; hier in Hannover hatte ich mich sehr vereinsamt gefühlt. In freudigster Verehrung für Sie und Ihre Frau Gemahlin
verbleibe ich
Hochachtungsvoll ergeben
Joseph Joachim

Hannover, am 2ten Juni 1853.

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort: Hannover
  Empfänger: Schumann, Robert (1455)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
70ff

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 26/2 Nr. 225
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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