Geehrter Herr Doctor!
Hiermit sende ich Ihnen Ihr Operngedicht zurück, das ich mit großem Interesse gelesen u. in den allerdings gehaltreiche musikalische Motive vorhanden sind. Die Zweifel, welche Sie selbst über die dramatische Wirksamkeit des letztes Aktes hegen, muß ich allerdings, ja noch in ausgedehnterem Maaße, theilen. Nicht nur, daß auch mir die lezte Verwandlung überflüssig erscheint, ich finde auch daß die ganze Katastrophe sich überstürzt u. darum durchaus nicht die Wirkung machen kann, die von ihr gefordert werden muß. Das Genoveva gleich wieder befreit wird, da sie kaum in den Wald geführt worden hat viel Bedenkliches der allgemeinen Kenntniß der Sage gegenüber. Ohne Schmerzensreich u ohne Hirschhuf giebt es für das Publikum gar keine Genoveva; ich würde nicht den Muth haben eine Volkssage zu benutzen wenn ich dem Volke dabei seine liebste Vorstellungen darum unterschlagen müßte. Aber sei es auch darum, der Dichter soll der Stoff auf Gnade u Ungnade überliefert sein, er mag das Recht haben das Jahrelange Waldleben Genovevas, das von jeher lähmend für alle dramatische Behandlung war, zu cassiren; so müßte dann doch die raschere Wendung nicht nur vorbereitet, sondern der Drang der Noth für die Helden muß auf einen höheren Gipfel getrieben werden, damit die Sympathie des Zuschauers dringend nach Hülfe verlangt u wenn sie kommt, gerne darüber Kind u Hirschkuh opfert. Siegfried erscheint hier wie deus ex machina, man weiß gar nicht wie er dazu kommt, er hielt es auch nicht der Mühe werth, es zu erklären. Soll die Erklärung im Schluße des <>III Aktes liegen? Das ist schwer zu erkennen u es wäre gegen diesen Akt noch Manches einzuwenden. Genug indeß der Mäkelei, ich bin jedenfalls Ihrer Meinung, daß für die genügende Wirkung des letzten Aktes noch etwas geschehen müsse.
Mit freundlichem Gruße
Ihr ergebener
Eduard Devrient
29/6 49
Herrn Dr Schumann
mit einem Manuscript
[BV-E, Nr. 3667:] E. Devrient. [Versand:] d. U. [beantwortet:] +.
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