23.01.2024

Briefe



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ID: 26901
Geschrieben am: Freitag 06.07.1888
 

Franzensbad i. Böhmen
Loimanns’ Badhaus
6 Juli 1888.
Liebste Emilie!
Ich wartete mit der Beantwortung Deiner Carte nur auf Brief v. meinem Advocaten, den ich heute erst erhielt. Nimm meinen Dank für Dein Interesse an der Sache; allerdings könnte es uns nur sehr erwünscht sein, wenn Du mit einem Fachmann, also dem alten lieben Herrn Oldenbourg, einmal sprächest. Ich könnte mit vollem Rechte das Buch sofort confisciren; daran hinge aber ein unvermeidlicher Process, der für beide Theile peinliche Situationen nach sich ziehen |2| würde; daher möchte ich auf anderem Wege mir Genugthuung verschaffen; erstens möchte ich dem Publicum zu wissen thun, dass ich von der Herausgabe dieser Briefe nichts gewusst habe, dann verhüten, dass es noch irgend Einem einfallen sollte Ähnliches zu thun. – Ich schicke Dir den Brief des Verlegers und den des Advocaten, obgleich der Advocat die Sache nach meinem Dafürhalten durchaus nicht richtig erkennt. Ob die Briefe interessant sind oder nicht (sie sind es nicht einmal) hat mit der Sache ja nichts zu thun. |3| Es ist das empörende Unrecht, was mir geschehen ist.
Der Titel des Buches ist: Friedrich Wieck, ein Lebens- u. Künstlerbild.
Mir liegt jetzt sehr daran, dass die Sache zum Abschluss komme, daher bitte ich Dich, thue, was Du mir so freundlich angeboten, bald.
Den Brief meiner Mutter, den ich nach der ersten Anfrage des Advocaten erhielt, lege ich Dir bei. Schicke mir ihn aber ja wieder; Du sollst nur daraus ersehen, wie liebevoll sie ist u. in welcher Angst sie offenbar schweben. |4| Wenn Du das Buch liest, wirst Du auch empört sein; Briefe eines Backfisches ohne jede Revision herauszugeben ist doch unglaublich. Dann die v. Ernestine über meinen Mann! Welche Rohheit und ein Diebstahl dazu! Denn sie gehören ja mir.
Nun noch ein wenig Plauderei. Denke Dir, dass Eugenie so glücklich war für Minnie von Mrs. Oliversen (die Beschützerin der Frl. Geissler) eine Einladung auf den Ober-Salzberg zu bekommen; ferner ich eine für die Delara, (die in der Prüfung vortrefflich gespielt) für 6 Wochen an die See in England, und Alice, das weisst Du, ist |5| bereits in Basel bei Vonder Muhlls, selig. So wären denn 3 Lieblinge für den Sommer gut aufgehoben. Der Borwick hat Furore gemacht, das muss ich Dir doch noch erzählen.
Schade, daß Du nicht auch einmal Franzensbad gebrauchst. Wie gemüthlich wäre das!
Du schreibst mir nicht, ob Du am 5ten Aug. in München bist?
Ferdinand fand ich sehr wohl aussehend, auch recht heiter, aber mühsam an zwei Stöcken gehend. – Die Kinder in Schneeberg waren sehr munter, liebevoll gepflegt; sie geben uns aber viel zu denken für die Zukunft.
Wir haben unsere Cur begon-|6|nen, u. wünschen uns nur wieder Wärme.
Lebe wohl, Du liebe Alte, sey von uns Dreien herzlichst gegrüßt, und umarmt von
Deiner
getreuen
Clara.
Bitte sende mir inliegende Briefe – ich vertheilte sie der Sicherheit halber in zwei Couverts – bald zurück – ich muß sie beantworten.
An Elise und Hedi Grüße.
Ich finde daß ich den Brief der Mutter in Frkf. vergessen habe.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Franzensbad
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
765-768

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 247
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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