23.01.2024

Briefe



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ID: 26735
Geschrieben am: Freitag 22.02.1861
 

Düsseldorf d. 22 Febr 1861
Liebste Elise,
lange schrieb ich Euch nicht, ich konnte es mit dem besten Willen nicht – Du glaubst nicht wie furchtbar beschäfftigt ich bin. Meine Gedanken sind freilich oft genug bei Euch. Da ich Morgen nach Belgien reise, wo ich höchst wahrscheinlich einen sehr unruhigen Monat verleben werde, da ich überall spielen will, so lasse ich schon heute meine kleinen Sendungen an Julie abgehen.
Bitte übergieb ihr das eine <Paquet> Päckchen am 11ten März, und das andere Kleinere am Confirmationstage. Das kleine Bildchen welches hier beiliegt sende ich Dir, Julie schrieb, daß Du es wünschest.
|2| Es würde mich sehr freuen hörte ich bald einmal wieder etwas von Dir – ich habe Unruhe, ob Ihr auch mit Julie zufrieden seyd? daß es ihr immer wohl bei Euch geht, daß sehe ich aus ihren Briefen. Im Letzten schrieb sie mir, daß Ihr im Sommer nach Schönau ginget, und sie mitnehmen wolltet. Ist das wahr? und ist es nicht eine gar zu große Last für Euch? liebste Elise, ich hoffe Du bist in diesem Punkte ganz offen gegen mich. Dann die Bitte, sende mir doch jetzt, wo das halbe Jahr bald um ist, eine Nota, Stundengelder, Schneider, Schuster ect. ect. etwa gerade Ende März. Ich liebe in solchen Dingen etwas Pedanterie – nennst Du es Eigenheit, so siehe es mir nach.
|3| Daß ich in Hamburg, Hannover, Osnabrück, Detmold ect. war, wißt Ihr durch Julie; vorgestern spielte ich in Cöln. Wie sehr leid thut es mir, daß die pecuniären Verhältnisse in Bayern so miserabel sind, daß man dahin gar keine Kunstreise unternehmen kann – welche doppelte Freude wäre es mir jetzt zu Euch zu kommen[.] Wie viel werde ich am 24ten im Geiste unter Euch sein – da vertrittst Du, meine theuere Elise, doppelt Mutterstelle an meiner Julie! kennte ich nicht Dein edles Herz, ich müßte mir doch rechte Scrupel um Alles machen, was Du thust, wie müßte ich Dir danken; doch Du liebst das nicht, und so kann ich eben nur in innigster Dankbarkeit an Euch Alle denken.
Ginge es doch meinen Jungens |4| so gut, wie Julien und den Anderen, aber die Armen entbehren jedes häuslichen Zusammenlebens; ich mache mir unendliche Sorgen darum, und gehe jetzt ganz ernstlich mit dem Gedanken um sie vom Herbste an nach Berlin zu nehmen, sie dort in halbe Pension zu geben, jedoch bei den Geschwistern (Marie wird dann auch zu Hause sein) wohnen zu lassen, sie bekommen dann doch täglich, Morgens und Abends, Sonntags, Mittwoch und Sonnabends Nachmittags ┌ect. ┐ die Eindrücke eines Familienlebens und komme ich einmal nach Haus, so haben sie auch mich. Kurz, es wird mir immer mehr zur Gewißheit, daß ich diesen Schritt thuen muß, wer weiß, ob dies nicht dazu beiträgt die ganze innere Entwicklung der Knaben umzuwandeln, |5| Ihnen erst die Liebe zu <de> mir und den Geschwistern mit in’s Leben giebt; die sie jetzt nur ahnen können. Ich glaube, Du wirst mir Recht geben.
Noch einmal muß ich nun aber kommen wegen der Heilgymnastik! Julie ist außer sich daß sie Diese gebrauchen soll, nun habe ich mit Frau Bendemann gesprochen, die auch ähnliche Sorgen mit ihren Kindern gehabt; sie räth mir erst noch einen Versuch zu machen mit einem Unteroffizier (es muß aber ein gebildeter Mensch sein) der jeden Morgen 1/2 Stunde kömmt, und sie gehen lehrt, die Schultern halten, <… lassen[?]> ect. Frau Bendemann hat selbst in Berlin lange Zeit solchen Unterricht gehabt, einen Geradehalter muß sie aber dann jedenfalls haben. Sey mir nicht bös, daß ich nun wieder Anderes vorschlage, Julie schrieb aber | 6| Pfeuffer sey nicht dafür mit der Heilgymnastik, und ich will doch nicht gern Etwas gegen Ihn thuen. Sehr gern consultirte ich Ihn einmal für mich – glaubst Du daß das schrifftlich geht? ich muß nächsten Sommer Etwas für mich thuen, Jeder aber räth mir anders, Jeder schreibt mein Rückenleiden anderen Ursachen zu – da wird man ganz verwirrt.
Jetzt muß ich aber schließen meine liebe Elise. Sey mit Allen den Deinen, (die gute Mila ist mir doch nicht bös, daß ich Ihr nicht mit schreibe?) tausend Mal gegrüßt, und gedenkt meiner in Liebe. Meine Adr. in Brüssel ist: chez Mr Meerens, Magasin des Piano de Herz, Rue des Parvissiens Nro 5. Dort werde ich wohl einen Monat bleiben, und von da aus die anderen belgischen Städte besuchen.
Von ganzem Herzen
Deine alte Clara.
Hast Du über Julie zu klagen, so thue es ja offen, denn vielleicht bessert ein Wort von mir dann leicht.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Pacher, Elise von, geb. List (1162)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
394-397

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 91a/b/c
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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