23.01.2024

Briefe



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ID: 26728
Geschrieben am: Samstag 14.07.1860
 

Kreuznach d. 14ten July 1860
Meine liebe Emilie,
Gott weiß, wie es mir am Herzen lag, Dir zu schreiben, ich kann aber mit dem besten Willen nicht Alles mehr vollbringen, was ich möchte. Da sitze ich nun hier in Kreuznach, sollte mich pflegen, und habe von Früh bis Abend zu thuen. Darum verzeihe mir, liebste Mila, und halte immer nur fest an der Ueberzeugung, daß ich recht oft Eurer gedenke.
Daß Elise wieder wohl ist, freut mich sehr – Gott gebe nur Bestand! – Wüßte ich doch bestimmt, wo Ihr hin geht? |2| Könnten wir uns doch irgendwo treffen! ich kann leider noch gar nichts bestimmen, wo ich von hier hin gehe. Meine Kinder Alle (außer den beiden Knaben) gebrauchen hier die Cur, theils wegen Scropheln, theils als Präservativ gegen Solche, durch kleine S Zeichen angedeutet; ich selbst nehme einige Bäder, kann aber keine eigentliche Cur gebrauchen, weil ich zu viel zu arbeiten habe; später aber soll ich in die Schweiz, Luftbäder nehmen. Ob ich’s thue, weiß ich noch nicht, ich kann in mir noch nicht die Stimmung dazu finden. Gehen meine Freunde Joachim und Brahms mit, so thue ich’s sehr wahrscheinlich, können Die aber nicht, so weiß ich nicht, ob ich mich von Frl. Leser, die mit mir hier ist, trenne. Sie |3| versteht es am besten mich mit der größten Geduld immer wieder und wieder aufzurichten, wenn ich oft der Gemüthsstimmung erliegen zu müssen glaube. Die Kinder sind Alle lieb, doch <Kinder> selbst die Großen doch noch zu jung, als daß sie im Stande wären mich dem Kummer zu entreißen. Um Solchen zu verstehen, dazu gehört Lebens-Erfahrung, selbst erlebter großer Schmerz, und glücklich muß man ja die Jugend preisen, die Das nicht kennt! Doch, klagen wollte ich Dir nicht, Gott weiß, wie ich so hinein gerathen. –
In England war ich nicht, ich war zu ermüdet von dem <englischen> ┌Wiener┐ Aufenthalt, dort hatte ich mich gehörig angestrengt. Ich gab in Zeit von 4 Wochen 6 Concerte, dabei täglich Stunden, <> und was noch Alles daran und darum hängt.
|4| Hier denke ich jedenfalls bis 7–8 August zu bleiben. Wäre gar kein Gedanke daran, daß Ihr mich hier aufsuchtet? wie freute mich das, und auch, daß Du mal meine Kinder sähest. Die beiden Aeltesten sind nun doch so weit, daß sie sich selbst durchhelfen könnten, doch, soll ich die armen Kinder nicht ihre Jugend so lange als möglich genießen lassen? der Ernst des Lebens kommt ja früh genug. Ach, Du glaubst nicht, welche Sorge das ist so viele Kinder, Jedes zu einem tüchtigen Menschen zu erziehen. Die drei Mädchen spielen sehr hübsch, haben großes Talent zum unterrichten, jedoch möchte ich sie gern noch viel weiter bringen, könnte ich nur immer bei ihnen sein. Jetzt, hier unterrichte ich sie ganz regelmäßig, doch ist’s eben nur kurze Zeit.
|5| Nun, liebe theuere Emilie, schreibe mir so bald Du kannst Näheres von Eurer Reise. Grüße Deine Lieben Alle innigst von mir. Meine Adresse ist: „Kreuznach, kleiner Berliner Hof.“
Wie immer getreu
Deine
Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Kreuznach
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
376ff.

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 85a/b/c
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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