Kopenhagen d. 9 Dec. 1856.
Liebste Emilie,
wie sonderbar, ich hatte einen Brief an Dich fertig, ließ ihn aber liegen, weil ich darin abermals von meinem Kommen gesprochen, und doch es eigentlich noch gar nicht bestimmen konnte. Und gut war das, denn endlich kam mir unterdeß, freilich erst vorgestern, Dein Brief, der mir die Sache doch keineswegs glänzend darstellt, und <jetz> dann kamen mir drei feste Engagements zu den ersten 14 Tagen Januar’s, die ich natürlich |2| angenommen und umsomehr als Eines in Leipzig, wo ich doch gleich nach Weihnachten bin. Ich habe dort Vieles wegen der Kinder zu ordnen, namentlich mit der Vormundschaft, und der Confirmation meiner Marie. Es wäre ja nun auch unvernünftig von mir käme ich geradezu zur ungünstigsten Zeit nach München! so muß es denn für jetzt unterbleiben – vielleicht macht es sich im Herbst. Ich schrieb Dir wohl, daß ich wieder nach England gehe, und da muß ich durchaus einige Monate ganz ruhig vorher zu Hause leben, muß viel studieren, was mich dann wieder erfrischt, |3| und sonst meine Häuslichkeit mit den Kindern und Freund Brahms, den ich auf Reisen gar zu schwer vermisse, genießen. Das ist mir dann die beste Erholung und Stärkung zu neuen Kämpfen, denn solche sind es vor jedem Concert, wo ich vor das Publikum muß – es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren! –
Nach meinem nächsten Aufenthalt in London will ich mich über mein zukünftiges Domicil entscheiden – in Düsseld. bleibe ich nicht, gehe aber vielleicht nach Berlin, und jedes Frühjahr nach London, und reise außerdem nur wenig. Gott weiß, wie Alles werden wird – die Sorgen drücken mich oft ganz darnieder – das Herumreisen |4| von Ort zu Ort ertrage ich nicht lange mehr, die Entbehrungen durch die ich das Verdienst erkämpfe, sind zu groß. Wie gern will ich arbeiten den ganzen Tag mit der Hoffnung am Abend ruhig mit meinen Lieben zu verbringen, aber Monate lang arbeiten mit der Sehnsucht im Herzen, immer unter Fremden, das ist zu hart.
Von der schlechten Aufführung der Peri hatte ich schon gehört, und daß das Münchner Publikum schrecklich zurück, ist eine bekannte Sache. Das kann Einem nun eben keine Lust zum musicieren dort machen. – Hier mache ich mit Roberts Compositionen großes Glück. Ich wiederhole Morgen sein Concert, was ganz enthusiastisch aufgenommen |5| war, eben so der Carnaval, das Quintett gleichfalls. Kurz, das Feld für Ihn öffnet sich immer mehr und mehr – ach, das Er es nicht erleben kann! – Gerade, seitdem er krank wurde ging es in der Anerkennung seiner Sachen mit Riesenschritten! doch Ihr wißt davon nichts, Ihr haltet die Aufführung des Einen oder Anderen seiner Werke noch immer für eine Begebenheit! in München seyd Ihr musikalisch in den Händen eines schrecklichen Philisters, dieses Lachner, der ja dafür bekannt, und dem es |6| Robert in seinen Schrifften geradezu gesagt. Gade sprach mir gestern auch davon, daß Alles Neuere, was Lachner aufführt, jedes Mal in München durchfällt und wahrscheinlich, weil seine Symphonien <jede> in Leipzig immer so glänzend durchfallen. Komme ich nach München, so geschiehts wirklich nur meiner lieben Mila wegen, und so hoffe ich denn auf Herbst. Wie schön wäre es gewesen, hättet Ihr mich in Karlsruhe überrascht! da hatte ich eine schöne Aufnahme! schon als ich auftrat schmückten |7| zwei schöne Kränze („für Robert“ und „für Clara“ stand daran) das Pult, nur erregte es mich so, daß ich den ganzen Abend nicht recht ruhig wieder werden konnte. Sollte ich, was eine Möglichkeit ist, im Januar von Frankfurth aus noch einmal hinkommen, so schreibe ich es Dir – dann kommst Du, nicht wahr? vielleicht schon nach Frankfurth? ich soll nämlich im Museum noch einmal spielen, und dort bei Freunden wohnen, wüßte ich jedoch, daß Du kämest, so blieb ich im Hôtel, <und> damit wir recht beisammen sein könnten. Ich schreibe Dir darüber, |8| so bald etwas bestimmt. Erhälst Du aber bis Neujahr keine Antwort, so ist nichts aus der Sache geworden.
Nun lebe wohl, meine theuere Emilie. Grüße innig die Deinigen, und behalte lieb
Deine
Clara.
Ich reise d. 14ten hier ab, direct nach Haus.