23.01.2024

Briefe



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ID: 26712
Geschrieben am: Samstag 12.07.1851
 

Düsseldorf d. 12 July 1851
Meine theuere Mila,
wohl hast Du Recht, ungehalten über mich zu sein, doch war es nicht meine Schuld, daß ich Dir Deinen letzten lieben ┌Brief┐ nicht gleich beantwortete. Mit Dir zu gleicher Zeit schrieb mir meine Mutter, daß sie mich diesen Sommer auf mehrere Monate besuchen wolle, die Zeit jedoch noch nicht genau bestimmen könne; dieß setzte mich nun in große Verlegenheit, denn, obgleich wir jetzt (wir sind vor 8 Tagen umgezogen) ein schönes Logie haben, so haben wir doch gerade eben so viel Platz, als wir bedürfen, und sehe ich mich schon gezwungen meine Mutter in mein Wohnzimmer zu logieren; wo <h> hätte ich nun Dir liebste Mila, einen Platz anweisen sollen? sonderbarer Weise erhielt ich nun gerade wieder gestern mit Deinem Schreiben die bestimmte Nachricht der Mutter, daß sie August und September kommen wolle, und sehe mich somit in die traurige Nothwendigkeit versetzt Deinem so lang ersehnten Besuche für diese Zeit entsagen zu müssen, und muß dieß dann leider auch für die |2| darauf folgenden Monate, indem ich im November meine Niederkunft erwarte, und Dir so kurz vorher nicht zumuthen darf zu mir zu kommen, wo ich nicht einmal den Genuß von Deiner Anwesenheit haben könnte, den ich doch wünschte! ich kann dann nicht musicieren, nicht mit Dir herum laufen, nicht Dich in diese und jene angenehmen Häuser hier führen, kurz, es wäre nur halbe Freude für mich. Siehst Du, meine liebe Emilie, Dieß Dir zu schreiben wurde mir so unendlich schwer, daß ich es immer und immer aufschob, auch dachte ich immer noch von der Mutter Nachricht zu erhalten, daß sie später käme, und hätte dann doch keinesfalls auf Deinen Besuch verzichten mögen! – Gott weiß nun, wie es im neuen Jahr wird! will es Gott, und schenkt mir wieder neue Kräffte, so wollen wir dann nach Holland, von wo wir immer Einladungen erhalten, und dann im Frühjahr nach England! So geht dann wieder der ganze Winter hin, |3| und ohne Hoffnung Dich zu sehen! doch, ich hoffe von Deinem Edelmuthe, daß Du <mir> Dein Versprechen doch nicht gänzlich zurück nimmst, sondern es im nächsten Sommer ausführest, so Gott will! –
Viel Antwort bin ich Dir schuldig, noch von Deinen vorigen Briefen her, doch Du wirst Nachsicht haben, wenn ich Dir sage, daß ich seit 4 1/2 Monat keine Stunde Clavier gespielt habe, und nur schrieb, was ich durchaus mußte; ich war diese ganze Zeit so unwohl, wie nie bei früheren Schwangerschaften, die Uebelkeiten verließen mich nicht von Früh bis Abend, zu Niemand konnte ich gehen, und schrieb ich einen Brief, so büßte ich es durch Migräne, die mich dann den ganzen Tag ┌nicht┐ wieder verließ. Jetzt geht es nun zwar etwas besser, doch so recht immer noch nicht! Gott weiß, woher das dießmal kommt! Du kannst Dir denken, wie sehr ich das neue Jahr ersehne, bis ich einmal wieder frey von diesen Leiden bin! –

Mein Robert, der Dich herzlich grüßt, sowie auch die liebe Elise, ist immer sehr fleißig, und hat viel des Schönen |4| wieder geschaffen! meine Kinder sind auch Alle wohl! für die drei Aeltesten habe ich jetzt eine Mamsell annehmen müssen, sie wären mir sonst gar zu sehr verwildert, da ich sie doch nicht immer um mich haben kann. Dieß hat mir auch schon wieder ein Zimmer mehr weg genommen, das ich anderen Falles für meine liebe Mila gehabt hätte! ich bin in Desperation darüber, doch wenn man 5 Kinder, 3 Leute ect. hat, kann man nicht mehr so, als wenn man frank und frey ist.
Daß Elise wieder ganz wohl ist, freut mich sehr, ich dachte es mir aber auch immer, daß es besser werden würde, denn dieser Zustand war jedenfalls nur eine Verstimmung der Nerven, für die Umgebung freilich schrecklich! – Was fehlt aber Deinem Schwager? das schreibst Du mir nie.
Fischhof hat uns bis jetzt nicht besucht, vielleicht kommt er noch? unrecht wäre es, hätte er uns ganz übergangen. Sonst aber haben wir schon viele Bekannte hier gesehen, ist überhaupt der Aufenthalt sehr angenehm hier. Ende dieser Woche wollen wir eine kleine Tour nach Coblenz, Mainz, Frankfurth u Heidelberg machen, worauf ich mich sehr freue, denn ich kenne den Rhein noch gar nicht.
|5| Liebe Emilie, der Brief muß heute fort! gern schrieb ich Dir mehr noch, doch es greift mich an, ich muß abbrechen. Nie wurde es mir schwer an Dich einen Brief abzusenden, als heute! möchtest Du mir recht bald beweisen, daß Du mir nicht zürnst – Unrecht thätest Du mir damit, denn ich leide am meisten dadurch, daß ich Dich nicht sehen soll.
So grüße mir denn schließlich noch all die Deinen recht herzlich, und bleibe in alter Liebe wie ich Deine so Du meine getreue Freundin.
In aller herzlichen Liebe
Deine
Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
266-269

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 42a/b/c;
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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