23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 26709
Geschrieben am: Samstag 15.05.1847
 

Dresden d. 15 Mai 1847.
Liebe Emilie,
sehr überrascht hast Du mich mit Deiner Antwort aus Wien, und recht inniglich froh war ich Euch nun wieder beisammen zu wissen, wie glücklich wird auch Elise darüber sein! von ihr erwartete ich täglich einige Zeilen, doch vergebens! auch meine Kiste erwarte ich mit größter Ungeduld, da mir Einiges fehlt, was darin ist, und ich doch nicht doppelt kaufen mag; bitte, sey doch so gut und erinnere Deinen Schwager an deren Absendung, und zwar, so bald als möglich. Ach, könnte ich doch jetzt bei Euch sein, und mit Euch einige Zeit auf dem Lande verleben, wie herrlich müßte das sein! an Elise denke ich jetzt sehr viel, ihre Zeit rückt ja nun immer näher! bitte, schreibt es mir ja gleich, wenn die schwere Stunde vorüber ist – gebe Gott, daß Alles recht glücklich und so leicht, wie es nur irgend möglich, gehe. Ich bin seit einigen Wochen auch wieder in einer schrecklichen Ungewißheit, wegen meiner Umstände, und fürchte, es ist einmal |2| wieder nicht richtig mit mir! ich will nicht darüber klagen, freuen kann ich mich aber auch nicht, da die beiden Jüngsten noch so gar klein sind und mir so viel Sorge machen, auch bin ich selbst doch eigentlich gar nicht recht kräfftig, habe oft Brustschmerzen, und mache mir dann doppelte Sorge. Dieß aber unter uns! – Unser Leben ist jetzt sehr einförmig; wir sind fleißig, auch Mariechen muß täglich lernen, und stellt sich besonders zum Clavier gar nicht unverständig an. In’s Seebad werden wir wohl nicht gehen, wenn Roberts Befinden so gut bleibt, wie es jetzt ist, was Gott gebe! vielleicht reisen wir dann in die Schweiz, vielleicht auch nicht – noch ist nichts entschieden.
Euch vermuthe ich nun in Schönau oder Ischel? Du wirst mich dies hoffentlich bald wissen lassen. Eine Bitte habe ich an Dich, bist Du nicht in der Stadt, so ist Dein Schwager vielleicht so gefällig, sich danach zu erkundigen. Es lebt jetzt ein höchst begabter Dichter Namens Hebbel in Wien, der eine Schauspielerin Namens Einghaus geheirathet haben soll – mein Mann hat nun ein besonderes Interresse etwas genaue-|3|res von ihm zu erfahren! wie lange er noch in Wien bleibt, in welchen Verhältnissen er dort lebt, ob reich oder arm, kurz, was man nun so eben von Einem zu sagen weiß. Ich glaube beinah Baron Zedlitz wird ihn kennen, auch Doctor Frankl – die Erkundigung müßte freilich indirect, nicht als von meinem Manne kommend, geschehen. Willst Du so gut sein mir das zu besorgen? und sogleich darüber antworten, wenn Du etwas erfahren? –
Nun will ich Dir Adieu sagen, ich habe viel zu thuen, daher das Wenige heute. Grüße die liebe Elise 1 000 Mal, auch Lina, Deine Mutter und Schwägerinnen, Deinen lieben Schwager nicht zu vergessen. Bitte, vergiß das mit der Kiste nicht, und schreibe recht bald wieder
Deiner
alten
treuen
Clara.
|4| Fräulein
Frl. Emilie List.
Abzugeben bei dem Herrn
Gustav von Pacher, in der
Thurmstraße im
┌rothen┐ Miller’schen Gebäude, 1ter Stock.
Wien.
Franco.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Dresden
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
228ff.

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 37a/b;
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.