23.01.2024

Briefe



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ID: 26601
Geschrieben am: Donnerstag 13.10.1831
 

Erfurt 13. Oct. [1831]
Kochs, welche nebenan in der Sonne wohnen, haben sich der Clara außerordentlich angenommen und mit großer Liebe Mutterstelle an ihr vertreten, haben ihr die Haare gemacht, sie angezogen usw. Mit der Frau des Geh. Regierungsrath Schmidt ist es mir aber schlimm ergangen. Schon im Concert kam sie hin zu mir, machte mir Vorwürfe, daß ich die Clara zu viel spielen ließe, (wie ungeschickt – am Concertabende!) und dieselbe müßte nun auch ein Vergnügen haben, und sie bäte sie hiermit zu einer Kindergesellschaft zu sich pp. Clara hatte es ihr in meinem Namen schon abgeschlagen, und ich sagte ihr ziemlich hitzig und gereizt: ich wünsche, daß alle Eltern ihren Kindern so viel Vergnügen machen können, als ich meiner Clara, übrigens hat meine Clara nicht Zeit, mit kleinen Kindern zu spielen, und sie soll den Genuß der freien Luft dem Puppenspiel vorziehen. – Den . . . October ging ich nun zu ihr, um ihr die Andenken von Goethe zu zeigen. Da machte sie mir von Neuem Vorwürfe über Clara und über mein hitziges Benehmen im Concertabend. Ich setzte ihr alles deutlich auseinander. Sie wurde noch empfindlicher und ich sagte ihr: 25 Jahre hätte ich über Erziehung nachgedacht und praktisch geübt – jetzt lebe ich seit 7 Jahren allein nur der Erziehung meiner Tochter. – Brauche ich nun aber noch einen Rath, so wollte ich mir denselben zu seiner Zeit erbitten – bis dahin müßte ich mir aber alles verbitten. Darauf wendete sie sich höchst beleidigt weg und sagte, alle die Unterschriften, welche ihr Mann für Clara’s Fortkommen gesammelt mit den vielen einzelnen Empfehlungsbriefen, würde sie mir nun nicht geben. Ich küßte ihr die Hand, bat wegen meiner Hitze um Verzeihung – und ließ ihr die ganze Sache; dankte nochmals für die Liebe und Güte, womit sie uns aufgenommen, gestand aber doch, gute Rathschläge und Erziehungsregeln nähme ich nun einmal nicht eher an, besonders von Frauenzimmern, bis ich darum ersuchte. Dies wäre nun einmal so meine Art. So schieden wir erzürnt von einander, und also sie behielt die Empfehlungsbriefe, und ich – die Clara Wieck mit Paganini’s und Goethes Stammbuchblättern. Und so geleit uns Gott weiter! Aber wie Gott will!
d. 11. Abends 6 Uhr bei Kochs phantasierte ich noch über ein von Maeser aufgegebenes Thema und spielte denselben Abend 9 Uhr bei dem Amtmann Petersilie zum letzten Male.
[Ab hier wieder die Schrift von Wieck]
Von Aken ist angekommen, seine Frau in Holland zurückgeblieben. Wir sind hier wohl logiert. Aber Erfurt ist ein ärmliches Nest; alles ist still. Jetzt will ich zu Aken gehen.
Eilig
der Deinige
Fr. Wieck

N. S. Ich muß noch einiges schreiben.
Eben schickte W. Goethe der Clara sein Brustbild als Medaillon mit seiner eigenhändigen Ueberschrift „der kunstreichen Clara Wieck, W. Goethe in ihr Stammbuch „Zum freundlichen Erinnern des 9ten Oktober 1831. J. W. Goethe“. Für mich „für meisterlich musikalische Unterhaltung verpflichtet J. W. Goethe“. Welche Ehre, welche Freude! Mit Demuth nehme ich von Gott alle diese Freuden! Das sind Empfehlungen! – Solche Ehre hat Goethe nie einem musik. Künstler ertheilt. Teile es Hofmeistern mit u. besprich dich mit ihm, ob nichts davon zu erwähnen sey in der Leipz. Zeitung oder in musikalischen Blättern oder ob Hartmann nichts in der Sachsenzeitung sagen wolle, welchen Beifall sie hier gefunden u. daß sie bei Hofe u. 2 mal bei Goethe gespielt habe. Fink thut doch nichts für sie in der musikal. Zeitung.
Du siehst: es zieht uns mit Gewalt in die weite Welt hinein – wie Gott will! Soll ich so schöne Triumphe feiern für die Kränkungen u. Geringschätzungen welche man mir u. Clara täglich in Leipzig angethan? – Meine liebe Seele, Du weinst vor Freuden – ich sehe es – und gönnst mir es – so von Herzen. Du glaubst gewiß nicht, daß ich übermüthig werde. – Ich weine aber oft vor Freuden. Clara sieht dies alles noch nicht ein und nur unsere großen Gönner u. Freunde freuen sich mit mir.
Clara hat eben ihr seidenes Kleid ganz zu Schanden werden lassen. Die Spinnen haben alles zu Schanden gemacht, weil ich es in diesem Saugasthof nicht umgewendet u. hängen ließ. Deinen Brief erhalte ich eben. Peters, alles Weitere muß warten, bis ich komme.

  Absender: Wieck, Friedrich (1709)
  Absendeort: Erfurt
  Empfänger: Wieck, Clementine (1708)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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