23.01.2024

Briefe



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ID: 26425
Geschrieben am: Montag 14.09.1891
 

14.9.1891, s.l.
Wir sind am Ende des rothen Meeres und die Reise war ausserordentlich günstig immer Wind so daß man auf Deck stets kühl war und nur in der Cabine überkam einem die ganze Gewalt der Hitze es war 88 und 94 <Grad Fahrenheit> und doch konnte ich immer schlafen. Aden war furchtbar denn da lag das Schiff über 12 Stunden im Hafen und man konnte keine Kühlung finden. Dennoch schlief ich jede Nacht 5-6 Stunden fest und sobald ich erwachte stand ich auf und war oft schon um 6 Uhr am Deck. Gestern hatten wir das traurige Schauspiel eines Begräbnißes an Bord. Ein Mann in der zweiten Classe der in Aden noch ganz wohl war ist binnen zwei Tagen an der Hitze gestorben seine Temperatur war auf 104 gestiegen und er war 12 Stunden Besinnungslos. Um 6 Uhr früh starb er und um 12 Uhr wurde er in's Meer versenkt. Es ist diesmal kein Priester auf dem Schiffe und der Capitain besorgt alles dies in höchst würdiger Weise. Als ich um 7 Uhr aufs Deck kam sah ich die Schreiner den Sarg machen und dieser Sarg wurde auf einer Planke stehend mit des Capitains Flagge ganz bedeckt nach einem kurzen Gebet über Bord geschoben, das Schiff war punkt 12 gestopt worden und die ganze Ceremonie war sehr ergreifend, alle Matrosen und Oficiere anwesend, die Passagire aber nur oben auf Deck so daß Niemand es zu sehen brauchte der nicht wollte. (...) Von nun ab wird die Reise
nur ein Vergnügen und das ganze Leben ist herrlich gesund. Früh aufstehen ein Seebad genommen dann eine Tasse Thee und danach auf Deck wo ich stets auf dem besten Platze (den mir der Quartermaster täglich suchen hilft) ruhig mit einer Arbeit sitze bis 9 da herzhaftes Frühstück, dann wieder auf Deck mit Arbeit, und verschiedenen Sports bis 1 Uhr nach dem lunchen detto, Abends
nach dem Dinner liege ich in meiner Hängematte bis 11 1/2 Uhr und gehe dann hinunter in die Cabine. Und so treibe ich es seit dem 19t Aug. In Aden habe ich viele Straußenfedern gekauft. Ich schicke Dir weiße und grau-braune und zwar schicke ich Dir vier von jeder Sorte und möchte daß Du Loucky je 2 davon giebst. Ist das Dir Recht! Ich will auf dem Schiffe eine Kiste machen laßen und
alles gleich hier packen nun möchte ich Dich nur fragen wie ich es mit dem Thee machen soll ich habe 10 <Pfund> von allerbestem Colombo Thee mitgenommen für Mama, möchte aber daß Du ihn als für Dich mitgebracht, Marie anbietest und wenn sie ihn nicht mag so schicke ich ihn an Liesl. Es sind 2 Kisten à 5 Pfund.
Ebenso die Vanille. Ich möchte durchaus keinen Dank haben, wie Du schon verstehen wirst. (...) Deine Ferien waren ja sehr kurz, mein Genchen, aber ich bin doch sehr dankbar daß Du sie mit Mary so genießen konntest denn ich fühlte mich sehr verantwortlich für Deine Erholung diesen Sommer. Nicht die leiseste Eifersucht habe ich auf Mary und freue mich nur darauf ihr nun auch näher zu kommen. Sie war stets sehr streng mit mir, wollte wol May's Hang mich endlos zu verwöhnen, entgegen wirken.
Du wirst wohl jetzt eine Filiale der Selborn Society gründen müßen, in Frankfurt, Ich bringe Mary ein Bündel Straussenfedern weil diese die Einzigen sind die die Gesellschaft erlaubt. (...)
Ich gehe bis London durch wegen alle meinem Gepäck und will von dort aus mit May ganz in der Nähe etwas suchen. Am liebsten in ihrem Cottage wenn es dort wegen der baulichen Veränderungen möglich ist.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s. 980/20-2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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